Dialog im Arbeitsprozess
by Kristin Schmidt
Die ig-tanz ost und ihr Vorarlberger Pendant netzwerkTanz kooperieren beim Tanzförderprojekt openSpace. Entwickelt wurde die offene Präsentationsplattform vor zwei Jahren im Vorarlberg.
Die Premiere ist der Zeitpunkt der Exposition. Alles, was zuvor konzipiert, erarbeitet, geprobt wurde, wird dem kritischen Publikum präsentiert. Was wäre, wenn dieser Moment des Sich-Aussetzens weniger abrupt verliefe? Wenn bereits im Entstehungsprozess eine Rückmeldung von Aussenstehenden möglich wäre und deren Reflektionen in die Arbeit der Tanzschaffenden eingehen könnten? Wenn Arbeitsabläufe sichtbar gemacht und überprüft werden könnten? Genau dafür entwickelte das netzwerkTanz Vorarlberg openSpace und bietet das Tanzförderprojekt nun gemeinsam mit der ig-tanz ost an.
Tänzerinnen und Tänzer finden bei openSpace eine Bühne für ihre fertigen Stücke aber auch für die Präsentation neuer Konzepte. Das Besondere daran: openSpace ermöglicht den Austausch bereits während des sensiblen Arbeitsprozesses. Die Tanzschaffenden erhalten zu ihren Stücken, Entwürfen, Ideen einerseits fundierte Rückmeldungen von zwei Fachpersonen, andererseits ist auch das Publikum eingeladen, die eigenen, sehr persönlichen Eindrücke mitzuteilen. Dafür stehen dem Publikum Feedbackbögen zur Verfügung, die anonym an die Auftretenden überreicht werden können. Die Fachpersonen hingegen äussern sich direkt und im Gespräch. Zu ihnen gehören die Choreographin und Tänzerin Gisa Frank aus Rehetobel, die Vorarlberger Regisseurin Barbara Herold, Meret Schlegel und Hiekyoung Blanz, Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin aus dem Allgäu.
Gisa Frank schätzt Offenheit der Plattform: „ Im Dialog geht es zuerst darum, wie das Stück auf mich persönlich wirkt. Alles andere fragen wir als Fachgruppe nach. Wir wollen ein förderndes Feedback liefern.“ Mit gezielten Fragen zu den gewählten Inhalten und der Umsetzung lenken die Fachleute die Aufmerksamkeit der Tanzschaffenden auf einzelne Aspekte des Stückes. Wichtig ist dabei, dass die Rückmeldungen positive, also umsetzbare Kritik enthalten und zugleich Mut machen zur Weiterarbeit. Doch es wird auch Klartext geredet wie Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin des netzwerk Tanz, betont: „Wir als veranstaltende Vereine bieten die Bühne; was den Qualitätsanspruch betrifft, dafür stellen wir die Fachgruppen mit ihrem kompetenten Background zur Verfügung. Am Schluss geht es immer darum, professionelle Tanzschaffende und diejenigen, die es werden wollen, bestmöglich zu unterstützen. Aber openSpace darf auch polarisieren. Wen ein Thema unklar ist oder verschiedene Meinungen aufeinander treffen, dann wird diskutiert – manchmal sogar heftig. Und das ist doch das Beste, was dem Tanz passieren kann.“
Dem Publikum fällt es mitunter schwer, sich adäquat zum Tanz zu äussern, auch hier leistet openSpace Vermittlungsarbeit: Die Fachpersonen drücken sich so aus, dass sie sowohl den Tanzschaffenden als auch dem Publikum wertvolle Hinweise geben.
Wer sich für eine Teilnahme an openSpace entscheidet, profitiert aber nicht nur von differenziertem Feedback. Alle Auftretenden erhalten ausserdem kostenfreies Foto- und Videomaterial ihrer Präsentation. openSpace ist damit ein vielseitiges Förderinstrument sowohl für etablierte Tanzschaffende, als auch für solche, die erst beginnen, in der Tanzwelt Fuss zu fassen oder noch in Ausbildung sind.
netzwerkTanz Vorarlberg und die ig-tanz ost veranstalten die interaktive Plattform mehrmals im Jahr. Am 23. Juli 2013 ist openSpace in der Poolbar in Feldkirch zu Gast, am 14. November 2013 am Spielboden Dornbirn und am 22. Februar 2014 im TAK in Schaan. Für die Termine im November und Februar erfolgt die Ausschreibung via Newsletter. Mitglieder der beiden Netzwerke werden jeweils vorab informiert. Das Programm für den Sommer steht fest und zeigt es bereits: openSpace richtet sich an Künstlerinnen und Künstler aus der Region, aber auch an anderswo wohnende Tanzschaffende mit Bezug zum Dreiländereck. Damit entspricht es einem zentralen Anliegen der Tanzförderung durch die beiden Vereine: Die Tanzszenen werden miteinander vernetzt und der gegenseitige Austausch angeregt. Ganz so wie es beim TanzPlan Ost bereits erfolgreich funktioniert: Das Projekt war 2009 ins Leben gerufen worden, um den freien, zeitgenössischen Tanz in der Region Ostschweiz/Liechtenstein zu verbreiten, zu fördern und zu vermitteln. Trägerschaft und Koordination übernahm der Verein ig-tanz ost. Der gemeinnützige Verein will den Tanz im Raum Ostschweiz zu beleben, die öffentliche Wahrnehmung stärken und den Austausch der regionalen mit der Schweizer und der internationalen Szene fördern: Neben dem Tanzförderprojekt TanzPlan Ost und openSpace organisiert der Verein im Auftrag von Reso das nationale Tanzfest in St. Gallen, koordiniert regelmässige Profitrainings und berät die Tanzschaffenden aus dem gesamten Raum Ostschweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Das unermüdliche Engagement in den letzten zehn Jahren hat sich ausgezahlt: Aus der kleinen Interessensgemeinschaft ist ein stetig wachsendes Tanznetzwerk hervorgegangen. Genau so funktioniert es jenseits der Grenze: netzwerkTanz Vorarlberg unterstützt, berät und informiert Tanzschaffende und -interessierte seit 2007. Mit unterschiedlichen Formaten wird zeitgenössischer Tanz in der öffentlichen Wahrnehmung verankert. Indem nun beide Vereine ihre Schnittstellen stärken, können sie den Tanzschaffenden noch mehr Bühnen erschliessen. Die Zusammenarbeit hat noch viel Potential.
moving emotions. Tanz Musik Bewegung, 3/2013