Das Gesehene im Neuen. Porträt Brenda Osterwalder
by Kristin Schmidt
Der Strom der Bilder wächst ständig, er fliesst durch Internet, Printmedien und Fernsehen. Die Bilder sind verfügbar geworden. Jede und jeder hat die Freiheit, sie sich anzueignen, sie weiterzuverbreiten, zu manipulieren, bereits einfachste technische Ausstattung genügt. Um in dieser Bilderflut nicht entweder in Belanglosigkeit abzugleiten oder ganz und gar unterzugehen, braucht es ein gutes Konzept.
Brenda Osterwalder betreibt Bildforschung. Sie sammelt, was sie berührt: „Ich bin Sammlerin und Verwerterin. Ich sammle Bilder und Sätze, die etwas in mir anstossen. Sie sind das Grundmaterial für meine ganz private, unwissenschaftlich postmoderne Forschungsmethode: Indem ich Worte und Bilder isoliere, in einen anderen Kontext stelle, sie verändere, ergänze, zusammenführe und neu betitle, privatisiere ich sie, eigne ich sie mir an.“ Brenda Osterwalder speichert das Material, aber noch selten digital. Die Künstlerin schneidet aus, scannt, druckt aus, kopiert und klebt. Die Bilder füllen dicke leinengebundene Bücher. Zwischen den Fotografien: Sätze, Zeichnungen, filmstripartige Sequenzen. Letztere verweisen nicht zufällig auf Osterwalders Ausbildung: Studiert hat sie Film an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin.
Osterwalders Bücher offenbaren ein intuitiv angelegtes Weltbild, eine künstlerische Brain Box. Sie nimmt die Bilder in Besitz, um sie weiterzuverarbeiten. Als die gebürtige Rheintalerin Anfang der 90er Jahre die Schule für Gestaltung in St. Gallen besuchte, wurde noch ausgiebig nach der Natur skizziert und streng getrennt zwischen Gebrauchsgrafik und elitärem Kunstanspruch. Darin empfand die Künstlerin schon damals oft eine Diskrepanz zur Lebensrealität: „Es gibt so viele Wirklichkeiten.“ Und schier unendliche künstlerische Möglichkeiten: „Ein gefundenes Bild muss nicht weniger wert sein als ein selbst gezeichnetes.“ Wichtig ist sein inhaltliches Potential. Vor drei Jahren begann die in Speicher lebende Künstlerin zu malen. Sie setzte von Anfang an auf intuitiv ausgewählte und malerisch prägnant umgesetzte Motive. Die Serie zu Bruno Manser etwa ist in dramatischen Rottönen gemalt. Weisse Farbe bringt Leuchten und Tiefe ins Bild, ebenso die gezielt eingesetzten, wenigen Kontrastfarben.
Gefördert mit einem Werkbeitrag des Kantons St.Gallen arbeitet Osterwalder derzeit an ihrem Projekt „Holzfällen“. Ausgehend von einem hundertfünfzig Jahre alten Foto eines gefällten Redwood-Baumes untersucht sie die damalige Bildkultur, den unbefangenen Umgang mit der Natur: Was war damals abbildenswert? Wie wurden die Fotografien inszeniert? Welche Gesinnung schwingt in ihnen mit? Wie wirkt der damals als heroisch wahrgenommene Akt des Baumfällens heute? Eine kleine Schwarzweissfotografie ist der Auslöser für eine viele Bilder umfassende Recherche.
Osterwalder setzt sich intensiv mit ihren Bildern auseinander. Dazu gehört, dass sie ein Thema oft über mehrere Werke hinweg verfolgt, dass Gemälde mitunter die Chronologie der Ereignisse spiegeln und dass ein Motiv immer wieder in anderen Kontexten auftauchen kann. Damit reflektiert die 1971 geborene Künstlerin einerseits den heutigen Bilderkonsum. Andererseits bekommt das einzelne Bild immer neue Dialogpartner zugewiesen und kann uns immer neue Geschichten erzählen.