Wenn sechs neun wären
by Kristin Schmidt
Das Nextex zeigt seit dem Umzug an den Blumenbergplatz die erste Ausstellung zweier Künstler und einer Künstlerin. Joëlle Allet, Peter Dew und Ray Hegelbach präsentieren kleine und grosse Realitätsverschiebungen.
„Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune“ singt die eine, „if six was nine“ der andere. Pippi Langstrumpf und Jimi Hendrix mögen wenig gemein haben, aber beide Liedtexte stimmen nicht nur in der lockeren Einstellung zum Rechnen und zu Zahlen überein. Sie erzählen von unabhängigen, starken Persönlichkeiten, ihrer Lebenslust und autonomen Weltsicht. „If six were nine“ heisst nun die aktuelle Ausstellung im Nextex und weckt angelehnt an Hendrix‘ Song einige Erwartungen.
Bereits im Aussenraum wird ein Hingucker präsentiert: Eine Rolltreppe führt ins Obergeschoss des Bürogebäudes, genauer gesagt, das Signet einer solchen. Weiss und auffällig an der Fassade platziert, unterstreicht sie einerseits den urbanen Charakter des Blumenbergplatzes und lenkt andererseits die Aufmerksamkeit nach oben; denn wie schon zuvor in der Schmiedgasse bespielt das Nextex hier den ersten Stock und kann nicht von einer Schaufenstersituation profitieren.
Joëlle Allet (*1980) entwickelte mit „Upstairs“ eigens für die Ausstellung also eine elegante Idee, um die Sichtbarkeit zu steigern, und bleibt gleichzeitig ihrer Formensprache treu. Die in Sirnach lebende Künstlerin untersucht Präsenz und funktionale Ausstrahlung von alltäglichen Objekten. Mit feinsinnigen Transformationen der Grösse, des Materials oder der Form rückt sie Gegenstände in ein anderes Licht oder bringt deren ästhetische Qualität überhaupt erst zu Bewusstsein. In der vor wenigen Wochen zu Ende gegangenen „Heimspiel“-Ausstellung zeigte Allet einen Luftbefeuchter in perlmuttglänzendem Camouflagemuster und lieferte damit einen ironischen Kommentar zu den niedergerissenen Grenzen zwischen Kunst und Alltagsobjekt. Im Nextex lassen nun überdimensionale Kreisel aus Giesskeramik vage Zerbrechlichkeit erahnen und erinnern mit ihren farbigen Ringen zugleich an Angelzapfen. Spiel und (Fisch)-fang kommen sich einmal mehr sehr nahe.
Wenige Meter weiter macht sich ein Schwarm aus gestutzten hölzernen Tragflächen parat zum Flug. Auch bei diesem Werk überzeugt Allet mit ihrem Gespür für Material und die präzise Umsetzung – Eigenschaften, die auch für Peter Dew gelten. Anders als Allet arbeitet der St. Galler Künstler (*1967) jedoch mit Fundstücken. Sie werden in neuen Kontexten eingesetzt oder miteinander kombiniert. Waren sie zuvor unscheinbar und wertlos, entfalten sie jetzt poetische und narrative Qualitäten. So sind etwa das Fragment eines verwelkten Blattes, eine vertrocknete Schote oder sogar Vogelkot in transparenter Folie verpackt. Sie kommen ohne vorgefertigte Bedeutung daher. Gleich einer Ausstellung in der Ausstellung verweisen sie auf Fragen bildlicher und systematischer Repräsentation und erzählen kleine Naturgeschichten.
Peter Dews Werke sind fragil, mitunter leicht zu übersehen und dennoch gewichtig in ihrer Ausstrahlung. Im Gegensatz dazu sind die drei gezeigten Gemälde Ray Hegelbachs (*1983) grossformatig, kontrastreich, aber nicht sehr inhaltsschwer. Der Zürcher Künstler übersetzt Diagramme in grobe Grisaille-Malerei. Der Ansatz, die abstrakte Sprache der Statistik in Malerei zu übertragen, ist nicht ohne Reiz, überzeugt aber in der Umsetzung noch nicht.
Lohnender ist es stattdessen, den Bonustrack der Ausstellung zu suchen: Peter Dew hat mit „Don´t you dare“ der Ausstellung noch ein sehenswertes, nicht in der Werkliste verzeichnetes Extra hinzugefügt, eine Arbeit, die auf den Raum reagiert, sich optisch, aber nicht funktionell einfügt und so in spannungsvoller Schwebe verharrt.