Vom Rotkreuzgründer zum Hipster Henry
by Kristin Schmidt
Das Museum Henri Dunant behandelt schwere Themen. Kaba Rössler und Nadine Schneider haben eine leichte Form des Umgangs damit gefunden und das Haus neu konzipiert. Mit der Ausstellung «Dunant Souvenir» verabschieden sie sich nun aus Heiden.
Strassen, Brücken, Schulen und Schiffe wurden nach Henri Dunant benannt, ausserdem ein Asteroid und eine Bergspitze. Weltberühmt war der Schweizer Humanist, als er 1910 in Heiden starb. Wer rund um den Globus so viele Fans hat, erfährt Huldigung mitunter auf merkwürdige Weise. So schmückt Dunants Konterfei Tassen und Löffel, Münzen und Seidenkrawatten, Wimpel und Weinetiketten. Einige dieser Souvenirs sind jetzt im Museum Henry Dunant in Heiden zu sehen in einer kleinen, aber sehenswerten Schau.
Die Objekte stammen aus Langenthal, vom St.Galler OpenAir, aus Togo und sogar aus der ehemaligen DDR. Dass sie jetzt hier miteinander zu sehen sind, ist Kaba Rössler und Nadine Schneider zu verdanken und ihrem unkonventionellen Blick auf den Gründer der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
Vor sechs Jahren kamen die beiden Museumsleiterinnen nach Heiden und hatten viel vor: «Wir sind keine Verwalterinnen. Uns ging es darum, ein eigenständiges, zeitgemässes Konzept zu entwickeln und umzusetzen.» Der erste Rundgang war allerdings ernüchternd, so Nadine Schneider: «Als wir das erste Mal im Museum waren, haben Kaba und ich gesagt: ‹Vergessen wir´s.›» Aber auf den zweiten Blick zeichnete sich das Potential des Hauses ab. Ausserdem, so ergänzt Kaba Rössler, «war auch Heiden selbst ein Argument: das Dorf, eine gute Infrastruktur, der Kursaal.» Die beiden blieben also und haben das Museum Henri Dunant von Grund auf neugestaltet.
Erzählungen statt Elektronik
Im Zentrum stand die Frage, wie ein Museum im 21. Jahrhundert aussehen muss. Während andernorts auf die Digitalisierung gesetzt wird, auf Tablets und auf immersive Effekte, vertrauen Kaba Rössler und Nadine Schneider auf das Objekt und die Reduktion: «Im Museum geht es darum, etwas zu erfahren, zu spüren und die eigene Lebenswelt zu reflektieren.» Kaba Rössler ergänzt: «Wir haben verschiedene Menschen gefragt, wann sie ein Museum weiterempfehlen. Die Antworten lauteten oft, ‹Wenn ich berührt, oder wenn ich betroffen bin.›»
Dafür braucht es nicht viele Objekte, sondern die richtigen; keine Endlostexte, sondern Erzählungen; weniger Elektronik, sondern Emotionen und eine gute Portion Kunst. Letztere ist aktuell mit dem Video «Fridu» von Sarah Hugentobler und Stephan Hermann vertreten. Es zeigt, wie sich Menschen gemeinsam einem Friedensbegriff annähern können: Das Wichtigste dabei ist der Austausch.
Abschied vom Museum
Der Film wird in der linken Museumshälfte gezeigt. Sie führt in die Gegenwart, während die rechte Hälfte Dunants Leben gewidmet ist. Links ist auch die Souvenir-Ausstellung zu sehen und eine Collage aus Schweizer Filmen zu Migrationsthemen. Bis jetzt ist es kaum mehr als eine Stunde Filmmaterial, aber bald sollen es 24 Stunden sein. Doch dieses und andere Projekte überlassen Kaba Rössler und Nadine Schneider ihrer Nachfolge, denn die beiden verabschieden sich in diesem Sommer als Museumsleiterinnen von Dunant.
Sie haben ihr Engagement von Anfang an als befristet verstanden, wenngleich ohne fixe Zeitvorgaben. Nun sind wichtige Meilensteine erreicht. Das Museum ist umgebaut, weitgehend barrierefrei, der Eingang präsentiert sich offen und einladend. Anderes ist noch pendent: «Der Betrieb kostet und Personal ist teuer, aber eine Leitung sollte nicht dem Geld hinterherrennen müssen. Unter einer stabilen Trägerschaft muss der Betrieb künftig finanziell gesichert werden.» Auch inhaltlich warten weitere Aufgaben, so wird beispielsweise der Lebenslauf Dunants sehr offen präsentiert. Künftige Museumsleitungen können hier ihre eigenen Schwerpunkte setzen.
Kaba Rössler und Nadine Schneider war es wichtig, Dunant in seiner Ambivalenz zu zeigen: «Uns gefällt, dass Dunant nicht einfach der Held ist. Sein kolonialistisches Gedankengut gehört ebenfalls zu seiner Persönlichkeit. Aber auch ein fehlbarer Mensch kann etwas bewegen.» Dunant hatte Krieg und Gewalt miterlebt und selbst eine Biografie voller Brüche. Aber auch dies lässt sich mit Leichtigkeit paaren und mit kuriosen Details würzen, wenn er beispielsweise in den ausgestellten Souvenirs zum Hipster Henry wird.
Die Reaktionen der Museumsgäste geben Rössler und Schneider recht. Trotzdem ist es für die beiden Frauen Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen: «Wir gehen in Minne und freuen uns auf neue Projekte.» Allzuweit weg begeben sie sich dafür nicht. Sie haben die Ostschweiz schätzen gelernt und in St.Gallen eine Bleibe für ihre Ideenwerkstatt gefunden.