Majd Abdel Hamid / Sofía Salazar Rosales
by Kristin Schmidt
St.Gallen — Nadel und Faden und ein kleines Stück Stoff, mitunter nur handtellergross – mehr braucht Majd Abdel Hamid nicht, um Objekte herzustellen, die poetisch, tiefsinnig und ebenso reduziert wie präzise sind. Der 1988 in Damaskus geborene Künstler stickt mit Kreuzstich auf Leinen, Baumwolle oder Seide. Er arbeitet langsam und konzentriert, setzt die Stiche dicht und in wenigen Farben. In ‹Resonances motifs›, 2024/25 verwendet er hauptsächlich Grün- und wenige Weisstöne. Damit schlägt er die Brücke zu Pflanzen aus der Gattung der ‹Ewigblätter› (botanisch ‹Aeonium›). Sie haben ihn zu dieser Installation mit Stickereien und Polaroids motiviert. Einem Exemplar sah der Künstler an seinem Küchentisch in Beirut wochenlang beim Wachsen zu. Um diesen Prozess abbilden zu können, suchte er stickend ein passendes Motiv. Die Installation zeigt die Suche ebenso wie das Resultat: kleine Vierecke aus wenigen Stichen. In anderen Serien wiederholt er diese Grundform, bis daraus Muster entstehen. Für Majd Abdel Hamid ist diese Art zu arbeiten gleichbedeutend damit, über Dinge nachzudenken, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken in der lauten, schnelllebigen Welt. In anderen Werken versammelt er kleine Fundstücke aus Stoff, die er auf seinen Reisen zusammengetragen hat. Das Interesse, Orte und Zeiten zu verbinden, treibt auch die Künstlerin Sofía Salazar Rosales an. Sie ist 1999 in Equador geboren, lebt in Amsterdam und zeigt in dieser Doppelausstellung ihre Werke erstmals in einer Schweizer Institution. Im Gegensatz zu Majd Abdel Hamid arbeitet sie mit einer riesigen Materialvielfalt von Glas, Gips, Epoxid über Bronzepulver, Kupfer, Eisenspänen bis hin zu Pflanzensamen, Bastelpapier, Beton oder Watte. Ihre Installationen sind raumgreifend, ihre Objekte sehen oft ermüdet aus und sind betont behelfsmässig zusammengebastelt: Nur mühsam hält sich ein erschlaffter Stahlträger im Raum. Armierungseisen sind erschöpft niedergesunken. Das nachgebildete Blatt einer Tessinerpalme hängt matt an der Wand. Ein wackeliger Raumteiler aus Pappe ist über und über mit Paraffin bekleckert. Mit der widerständigen Ästhetik konterkariert die Künstlerin gängige Vorstellungen von Produktivität und Wert. Auch der Ausstellungstitel passt dazu: ‹Imagínate vivir en Suiza y perderte esto› (span. Stell Dir vor, Du lebst in der Schweiz und verpasst das) spielt auf ein in Lateinamerika beliebtes Meme an, bei dem absurde Alltagssituationen selbstironisch der Schweizer Perfektion vorgezogen werden.
Kunst Halle Sankt Gallen, bis 18.5.
k9000.ch