Wasser und Weibliches

by Kristin Schmidt

Der Verein KulturFrühling Rorschach lädt zum «Rendezvous 2» ins Rorschacher Kornhaus ein. Drei Ostschweizer Künstlerinnen und ein Künstler zeigen neue Arbeiten mit Bezug zur Stadt am See.

Was wäre Rorschach, läge es nicht am See? Keine sehr aussergewöhnliche Stadt. Rorschach liegt aber am See und lebt von seiner Weite und den ständig wechselnden Stimmungen. Das grosse Wasser prägt die kleine Stadt, ihre Bewohner und ihre Gäste. Vier davon stellen derzeit im Rorschacher Kornhaus aus.

Auf Einladung des Vereins KulturFrühling Rorschach präsentieren Harlis Hadjidj-Schweizer, Yoko-Michelle Mroczek, Hans Schweizer und Birgit Widmer im Kornhaus aktuelle Werke mit mehr oder weniger deutlichem Bezug zu Rorschach oder zumindest zum Wasser.

Letzteres hat bekanntlich viele Facetten. In den Gemälden Hans Schweizers ist es vor allem Fläche. Nur die aus der Vogelschau gezeigten Jollen und Segler legen den Schluss nahe, dass Wasser sie umgibt. Ansonsten verrät kein Kräuseln, keine Welle, keine Schaumkrone das flüssige Element.

Flaute ringsum und auf den Booten selbst: Kein Grosssegel bläht sich, kein Stander flattert im Wind, die dargestellten Personen verharren. Gesteigert wird der statische Eindruck durch die Monochromie der Bilder. Sie sind ganz in Braun- oder Türkistönen gehalten. Schweizer zelebriert die Stille und den Kontrast von Sujet und Medium. Der handlungsfreie Raum bietet mehr Platz für die malerische Aktion, der Duktus verselbständigt sich.

Ganz anders wirkt dies bei Harlis Hadjidj-Schweizer. Malerei und Motiv, Farbe und Form sind in ihren Bildern homogen ineinander verwoben. Die Hafenansicht von Algier ist ganz ohne Linien, rein aus zweifarbigen Flächen aufgebaut, Positiv- und Negativform gehen ein spannendes Wechselspiel ein. Das Bild wirkt wie ein Nachbild des Auges. Das Ungefähre eines solchen Nachbildes entspricht der Reduktion der gestalterischen Mittel ebenso wie der sinnfällig umgesetzten inhaltlichen Ebene.

Hadjidj-Schweizer findet ihre Motive auf alten Fotografien und Postkarten und thematisiert die Ungewissheit der Erinnerung, sie wird als vage und veränderlich erlebt, gern wird Gewesenes und Gesehenes in der Rückschau verfremdet. Auch hier liegt, um Rorschach wieder ins Spiel zu bringen, der Schwerpunkt der ausgestellten Werke auf wassernahen Motiven.

Gleiches gilt für Birgit Widmers kleine Skulpturenserie «mermaid». Sie besticht durch die Detailfreude und die gekonnte Umsetzung in zwei besonderen Medien: Lindenholzschnitzerei, die nicht bis ins letzte Detail geglättet ist, sondern den Bearbeitungsprozess erkennen lässt, und darauf basierender Aluminiumguss. Die Geschichte der unglücklichen Liebe der Meerjungfrau zu ihrem Prinz ist bekannt, und doch gelingt es Widmer, ihr neue Facetten abzugewinnen.

Nur drei Szenen reichen, um das ganze Drama, das Begehren, Hoffen, die Enttäuschung darzustellen. Wunderschön, wie die Fraugewordene im Anzug einem Fischleib entsteigt, wie sich eine Allee im Wind biegt oder ein kleines Kunstzitat ins Prinzenschlafzimmer gesetzt wird. Wasser also auch hier, nicht jedoch in den Werken Yoko-Michelle Mroczeks.

Die seit einem Jahr in St. Gallen lebende Künstlerin thematisiert den Blick auf die Frau sowohl aus gesellschaftlicher wie aus ihrer speziell fernöstlichen Sicht. Schon in Peter Greenaways «Bettlektüre» war der Körper ebenso vergängliche wie ästhetische Folie für Kalligraphie, hier ist er es wieder. Auf anderen Bildern wird die sprichwörtliche Birnenform des Körpers ins Wortwörtliche übersetzt. Was hat das mit Rorschach zu tun? Vielleicht mehr mit dem Rorschachtest? Erinnern jene Fuchsbeine mit Rock an Degas‘ «Kleine Tänzerin» oder eher an das Lied vom Männlein im Walde? Oder doch irgendwie an die Stadt am Bodensee?