Springen und Kriechen

by Kristin Schmidt

Die St. Galler Künstlerin Alexandra Maurer zeigt in der Galerie Paul Hafner in ihrer ersten Einzelausstellung «escape to jump» aktuelle Werke. Sie verknüpfen Film und Malerei.

Springen heisst fliegen, schweben und fallen. Es gibt den wunderbaren Moment des Abhebens, dann den höchsten Punkt, manchmal mit Aussicht, bis es schliesslich wieder abwärtsgeht. Springen ist eine intensive, den ganzen Körper erfassende Bewegung. Oft haftet ihr etwas Zufälliges, etwas Unvorhersehbares an. Wenn Kinder springen, besonders auf einem Trampolin, wirken ihre Bewegungen zur Sorge der Mütter nicht selten wild und unkontrolliert. Diese Impulsivität, diese intensiven Momente reizen Alexandra Maurer.

Für ihr Video «Jump» schickt die St. Galler Künstlerin aber nicht Kinder, sondern eine junge Frau aufs Trampolin. Auch die Erwachsene gibt sich völlig der Bewegung hin. Sie springt hoch hinaus, mal verschwindet sie ganz aus dem Auge der Kamera, mal ist nur der wehende Rock zu sehen, dann wieder das Gesicht in Nahaufnahme.

Diese Dynamik wird unterstützt durch wechselnde Bildmedien, denn auf dem Flachbildschirm läuft nicht einfach ein Videofilm: Alexandra Maurer filmt ihre Akteure zwar zunächst, dann aber durchläuft die Aufnahme mehrere Bearbeitungsstufen. Der Film wird in einzelne Stills aufgesplittet, diese wiederum werden ausgedruckt, mehr oder weniger stark übermalt oder zum Teil ganz mit Farbe und Pinsel auf weisses Papier übertragen. Nach dem Bearbeitungsprozess werden die Einzelbilder wieder zu einer Sequenz zusammengeführt. Nun mischen sich Filmstills, übermalte Standbilder und pure Malerei.

Alexandra Maurer gelingt die Synthese zweier Medien. Das immer wieder postulierte Niederreissen der Gattungsgrenzen – hier wird es Realität. Das gilt nicht nur für «Jump», wo das Video Anfangs- und Endstufe der Arbeit darstellt, die Malerei ein Zwischenschritt ist, sondern auch für «Escape».

In der Galerie Paul Hafner überziehen die Blätter dieses Werkes zwei ganze Wände. Auch hier war der Anfangspunkt die Arbeit mit einer Schauspielerin. Sie war angehalten, charakteristische Bewegungen des Fliehens auf dem Boden zu zeigen. Sie kroch, als müsste sie jemandem oder etwas heimlich und schnell entkommen, und Maurer filmte sie dabei. Wieder wurde das Video anschliessend in Einzelbilder zerteilt. Diese Stills sind nun aber vollständig in Malerei übersetzt.

Nahtlos hängt Bild an Bild in fünf Reihen übereinander. Dabei entstehen einzelne Handlungsabläufe. Zu Beginn jeder Reihe ist der Körper in starker Verkürzung nahezu vollständig zu sehen, das letzte Bild zeigt jeweils den Kopf in Grossaufnahme. Ein wichtiger Aspekt der Arbeiten ist, dass Maurer nicht etwa auf fotorealistische Art die Vorlagen kopiert, sondern sich alle Freiheiten lässt. Zuerst fällt der Komplementärkontrast ins Auge – von rotem Kleid zu grünem Haar. Die Farbe wurde sehr nass aufgetragen, sie zerfliesst, läuft in roten Tropfen über das Blatt, nicht selten an Blutspuren erinnernd.

Überhaupt haben die Bilder etwas Beklemmendes. Die direkten Blicke, die Nähe, die expressiven Bewegungen strahlen hohe emotionale Intensität aus. Auch die Menge der Bilder, der zwar variierende, aber ständig sich wiederholende Ablauf von der anfänglichen Gesamtaufnahme, wo die Figur vom Weiss des Blattes umgeben ist, bis hin zu dem Kopfdetail, wenn die Farbflächen dominanter sind als die gegenständliche Darstellung, wirkt eindringlich.

Alexandra Mauer gibt keiner der beiden verwendeten Techniken den Vorzug, ganz gleich, ob die Malerei dabei direkt in einen Film zurückübersetzt wird oder sich die bemalten Blätter allein durch die Anordnung zu einem filmischen Ablauf fügen. Malerei und Film stehen gleichberechtigt nebeneinander, sind ineinander verwoben, und der Betrachter kann selbst erspüren, welches Medium ihn unmittelbarer anspricht.