Punkt, Punkt, Klecks, Strich

by Kristin Schmidt

John Armleder besinnt sich in seiner Ausstellung bei Susanna Kulli auf Klassiker der Malerei und würzt sie mit einer Prise Partyglamour der Gegenwart.

Der Geruch von frischer Farbe hängt in der Galerie. Erst wenige Minuten vor der Eröffnung seiner Ausstellung beendete John Armleder die Arbeiten an seinen jüngsten Bildern. Sie entstanden alle direkt vor Ort, und wie so oft liess sich der Künstler von den Ausstellungsräumen inspirieren. Die Bilder sind für die Wände gemacht wie die Wände für die Bilder. Es ergibt sich ein ausgewogener Gesamteindruck. Hier wurde alles genau berechnet und aufeinander abgestimmt.

Armleder siedelt seine Arbeiten bewusst in der Nähe zum Dekor an. Das Muster wird zum Inhalt, die Form zum Anlass. Die Gebrauchsgrafik ist nicht weit, aber auch die Op-Art nicht. Da sind die quadratischen Streifenbilder: Im Wechsel überziehen gleichmässige schwarze und weisse vertikale Farbbahnen die Leinwand und kippen nach rechts aus dem Bild heraus – optische Täuschungen, wie sie Victor Vasarely perfektionierte und wie sie Armleder, der stets gern aus den Arsenalen der Kunstgeschichte schöpft, unbefangen wieder aufgreift. Er reflektiert spielerisch und scharfsichtig zugleich das Traditionsgeflecht der zeitgenössischen Kunst. Statt sich auf einen Stil oder ein Material zu beschränken, wechselt Armleder mit Leichtigkeit zwischen den Gattungen und seinen Zitaten der Ismen. Seine «Targets», knallbunte Kreise im Quadrat, sind die geglättete und multiplizierte Version der gleichnamigen Gemälde Jasper Johns’. Die «Pour-Paintings» beschwören die impulsive Geste des Abstrakten Expressionismus herauf, jedoch nur, um sie wieder zu ironisieren, denn in das auf die Leinwand geschüttete Farbgemisch mixt Armleder Glitzerstaub, Glas- und Spiegelsplitter und schafft dadurch eine Atmosphäre, die eher an die Partywelten der Jetztzeit denken lässt als an die Psychogramme der Kunstheroen der Fünfzigerjahre. Gleiches gilt für seine «Splash-Paintings», denn der Fleck ist hier nicht die spontane Ausdrucksform, die dem Tachismus seinen Namen gab, sondern das immer gleiche, weil mit der Schablone erzeugte Gebilde in poppigen Farben.

Mit höchster Präzision geschaffen sind Armleders Bilder. Umso mehr irritiert in diesem Gleichmass der Dinge jede Unregelmässigkeit: die Farbspritzer, die über den Rand der Schablone hinausgelangten, die Reste der Klebstreifen, die übrig gebliebenen Bleistiftmarkierungen, die dazu dienten, in den «Dot-Paintings» den Ansatzpunkt der Kreisschablone festzulegen. Wurden diese verräterischen Spuren aus Versehen nicht getilgt? Aus Nachlässigkeit? Oder um die Perfektion des restlichen Werkes umso stärker hervortreten zu lassen? Wie auch immer die Antwort lauten mag, sind es Zeugnisse der Leichtigkeit und Unbefangenheit, mit der Armleder an Kunst herangeht. Der 1948 geborene Schweizer mit Wohnsitz in Genf und New York machte sich seit den 60er-Jahren einen Namen als Maler, Zeichner, Performer, Produzent, als Galerist, Herausgeber und Kurator. Er ist bekannt für seine multimedialen Installationen wie im 2000 im Kunstmuseum St.Gallen (mit Sylvie Fleury).

Bei Susanna Kulli beschränkt sich Armleder erstmals darauf, nur Gemälde zu zeigen. Und auch damit wie kaum anders zu erwarten reflektiert er eine Tendenz des Kunstbetriebes. Betitelt mit «John Armleders Painting Show» bezieht sich die Präsentation der Gemälde auf die boomenden Malereiausstellungen in letzter Zeit. Armleder greift den Trend auf und gibt in einer Art kleiner Retrospektive einen Überblick über sein eigenes malerisches Werk.