Hundert Kühe und noch mehr

by Kristin Schmidt

Francesco Bonanno verwandelt seine Macelleria d’Arte in einen „Kunststall“. In seiner Ausstellung „Hommage à la vache“ feiert er die Kuh.

Andy Warhol hat es vorgemacht: Der Pop Art Künstler hat Motive aus der Medienwelt dutzendfach nebeneinander gesetzt. Immer gleich und doch verschieden in Farbton und -auftrag. Per Siebdruck liessen sich die verfügbar gewordenen Bilder unendlich oft wiederholen: zehnmal Mao Tse Tung, fünfzigmal Marylin Monroe, zweihundert Suppendosen, Wände voller Kühe, tausende.

So viele sind es bei Francesco Bonanno nicht, aber auch der St.Galler Künstler zelebriert die Wiederholung eines Motives, seines Motives: Die Kuh begleitet Bonanno schon seit seiner Galeriegründung vor 25 Jahren. Damals eröffnete er in der Metzgergasse in einer ehemaligen Metzgerei die Macelleria d´Arte. Das passende Logo dazu: Das linear reduzierte Bild einer Kuh mit eingezeichneten Schlachtteilen.

Inzwischen ist die Galerie mehrfach umgezogen, das Logo aber ist geblieben. Und mehr noch – es ist zum beherrschenden Motiv in Bonannos künstlerischen Werken geworden. Kein Wunder, ist doch die Kuh mehr als nur Schlachttier. Der Galerist kommt geradezu ins Schwärmen, wenn er von den Eigenschaften des Rindviehs spricht, von der der archaischen, majestätischen Ausstrahlung, der Ruhe und Geduld, auch von der historischen Rolle der Kühe. Heilige, himmlische, kraftvolle Wesen waren sie, Fleisch- und Milchlieferant sind sie. Francesco Bonanno thematisiert beides. Zwar zeigt er einzig die immer gleiche Kuh im Profil, aber in der Wiederholung und Behandlung des Motives bekommt die Kuh neue Präsenz.

Per Linolschnitt druckt Bonanno Kühe auf Kunst- und Kulturzeitungen, auf Stoffe und kostbare Hölzer. Ja sogar ein altes Ölgemälde kommt so zu neuen Ehren. Dieses Landschaftsbild wäre kaum der Rede wert, aber nun steht da am Seeufer eine doppelte Kuh mit durchbrochener Silhouette, voller Sandkleckse. Dem Künstler gelingt eine zweifache Aufwertung: Er schärft den Blick für das alte Bild und für die Kuh als künstlerisches Motiv.

Auch auf der Rückseite einer gespannten Leinwand prangt die Linolschnittkuh und liefert damit einen Kommentar zum Geltungsanspruch der Malerei. Ausserdem erscheint sie auf Papiersäcken, einer Servierplatte oder golddurchwirkten Tüchern und natürlich in Bonannos geistreicher Neuinterpretation des Sennenstreifens: In einem beleuchteten Holzkasten wandern 74 Kühe durch die vier Jahreszeiten. Der Papierbahn läuft zwischen zwei Rollen, angetrieben per Hand. Es gibt weisse Schneekühe und bunt hinterlegte Frühlingskühe, Sommerkühe vor blauem Grund und Tiere vor warmen Herbsttönen. Oben auf dem Kasten erinnert das Segment eines Elektrozaunes, dass das Leben der Rinder zwar im Freien, aber nicht in Freiheit stattfindet.

Was aber hat es mit jenem kostbaren Patchworktuch auf sich, das einen leichten Stallgeruch verströmt? Kuh ist darauf keine zu entdecken. Aber es gab eine darunter. Zur Ausstellungseröffnung hatte Francesco Bonanno damit die wunderschön gehörnte Loni geschmückt und von einem Abtwiler Hof auf den roten Platz geladen. Sie zeigte den Kunstgästen, wie das wirklich funktioniert mit der Gelassenheit und Ruhe, ganz egal ob auf grünem Gras oder rotem Kunststoff.