Mona Hatoum im Kunstmuseum St.Gallen

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum St.Gallen widmet Mona Hatoum eine grossangelegte Ausstellung. Für einmal gibt es keinen poetischen Ausstellungstitel, denn der Name der international arbeitenden Künstlerin ist Aussage genug.

Haare sind schön. Haare sind eklig. Je nachdem, wo sie sich befinden. Ob auf dem Kopf oder in der Suppe – Haare rufen Reaktionen hervor. Das frisierte Haar wird als Geschlechterbestimmung wahrgenommen und in einigen Religionen bedeckt. Es stiftet Identität und kann Zugehörigkeit demonstrieren. Entführten, gefangenen oder anders internierten Menschen wurde (und wird unter manchen Regimen noch immer) das Haar abrasiert, um sie zu entwürdigen und ihre Individualität zu untergraben. Zudem wird ihnen im übertragenen Sinne ihre Kraft genommen. Seit dem Altertum ist das Haar ein Symbol für Kraft und Schönheit.

Im Haar vereinen sich sinnlich ästhetische Qualitäten und Bedeutungsanspruch. Das Haar ist also niemals nur formbare Hornsubstanz. Auch dann nicht, wenn es als künstlerisches Material eingesetzt wird. Mona Hatoum arbeitet seit langem mit menschlichem Haar. Die palästinensisch-britische Künstlerin hat es zu einer Kufiya verwoben oder zu tumbleweedartigen Bällchen verzwirbelt, hat ein Schaamhaardreieck auf der Sitzfläche eines Gartenstuhles ausgelegt.

Und die zeichnet mit Haar auf Papier. Diese stillen Arbeiten sind Teil der Ausstellung „Mona Hatoum“ im Kunstmuseum St.Gallen. Mal kringeln sich auf dem weissen, von der Künstlerin handgeschöpften Paper einzelne Haare zu kleinen Nestern, mal sind sie zu zarten Gespinsten verknotet und verflochten. Beides zeigt im Kleinen, was die Künstlerin auch in ihren raumfüllenden Installationen beschäftigt: Mona Hatoum arbeitet körperbezogen und mit starken formalen Lösungen. Ihre Werke wirken in sinnlicher und geistiger Hinsicht. Die Haarbilder etwa weissen all die Zwischentöne von schön bis irritierend auf. Genauso die Zeichnungen mit Blut. Oder „Paravent“ und „Daybed“, zwei Werke aus dem Jahr 2008: Die Künstlerin Hatoum vergrössert eine klappbare Käsereibe zu einem überkopfhohen Raumteiler und eine Reibe mit geschwungenen Enden zu einer zwei Meter langen Ruhestätte. Aber einladend wirkt diese nicht. Die scharfen hochstehenden Zacken sind nicht länger geeignet, Lebensmittel zu zerkleinern, sondern eine jede für sich ist zum bedrohlichen Werkzeug mutiert.

In der Vergrösserung verlieren die Haushaltsgeräte ihren harmlosen Charakter. Es wäre jedoch verfehlt, nur auf dem Unbehagen angesichts der Arbeiten nachzuspüren. Wie immer bei Mona Hatoum haben die Dinge mindestens zwei Seiten. Die ausgestanzten Ecken der Reiben fügen sich zu einem gleichmässigen Raster. Es entfaltet sowohl grafische als auch räumliche Wirkung und erinnert so an die nichtperspektivische, ornamentierte Gestaltung in der abbildlosen Kultur des Islam, an die geometrischen und arabesken Muster in Moscheen, an Balkongittern und auf Fliessen. Diese Tradition ist in der Ausstellung auch ganz direkt präsent im Werk „Twelve Windows“. Auf verspannten Stahldrähten hängen zwölf bestickte Tücher in fein abgestimmten sonoren Farben. Sie sind das Werk palästinensischer Frauen in libanesischen Flüchtlingscamps. Jedes Fenster stellt mit seinen Mustern eine Region Palästinas dar. Seit Jahrhunderten lehren die Mütter die Stickerei ihren Töchtern. Die Arbeit präsentiert also ein Stück palästinensischer Kultur und tut dies ohne direkte politische Aussagen damit zu verknüpfen.

Oft werden Hatoums Werke politisch interpretiert. Wenn sie Soldatenbetten stapelt oder Stacheldraht in den Raum hängt, mag das nahe liegen. Auch manche ihrer frühen Arbeiten weisen in diese Richtung. Etwa „Roadworks“, ausgestellt im Foyer des Kunstmuseums: Das Video dokumentiert eine Performance in Brixton. Dort gab es 1984 gewalttätigen Rassenunruhen und Hatoum lief ein Jahr später barfuss durch jene Strassen und hatte sich Verfolgern gleich Doc Martens mit den Schnürsenkeln an ihre Fesseln gebunden. Diese frühen Arbeiten sind noch immer gültig und von grosser Präsenz. Hinzugekommen ist in den vergangenen Jahrzehnten aber eine stärkere inhaltliche Ambivalenz der Werke und eine perfektionierte formale Durcharbeitung und Inszenierung. Mona Hatoums Werke prägen sich ein.