Rauchkanal und Rapunzelturm

by Kristin Schmidt

Am Sonntag wurde im Sitterwerk der Erweiterungsbau Kesselhaus Josephson eröffnet. Mit dem Anlass wurde auch die Arbeit der Architekten Lukas Furrer und Christoph Flury gewürdigt.

«Komm, gehen wir raus und spielen Fangis» – Kein Wunder, dass es drei Buben nach draussen zieht: In der Kunstbibliothek stehen die erwartungsvollen Besucher dicht an dicht. Sie sind gekommen, um den neusten Umbau in Sitterwerk und Kunstgiesserei zu feiern und bei dieser Gelegenheit nochmals das grosse Ganze in Augenschein zu nehmen. Der jüngste Umbau, das ist die Erweiterung des Kesselhauses Josephsohn. Er wurde wie die vorherigen von Lukas Furrer und Christoph Flury geplant. Seit 2000 und 2001 arbeiten beide für die Kunstgiesserei.

Sie haben sowohl die Ausstellungsbauten ausgeführt wie auch die Umbauplanung der Bibliothek, des Atelierhauses und des Kesselhauses. Sie haben den Empfangs-, den Kaffee- und den Essraum gestaltet und nun die neuen Ausstellungs- und Lagerräumlichkeiten im bisher nur teilweise genutzten hinteren Teil des Kesselhauses.

Sonntagnachmittag führten die beiden Architekten die Besucher durch die Bauten. Eine gute Idee – wenn es aufgrund des Andrangs auch bedeutet, dass statt der geplanten 25 Personen mindestens doppelt so viele jedem Rundgang folgen. Die Architekten lassen sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Aus ihrer spezifischen Sicht öffnen sie den Blick für viele Details, wo sie vom Materialwissen der Kunstgiesser profitiert haben oder mit einem äusserst speziellen Bestand arbeiten konnten. So stehen die Besucher beispielsweise dort, wo einstmals Rauchkanal und Feuerungsgang waren. Und nicht nur die Besucher, schliesslich geht es um Hans Josephsohn: Seine Arbeiten finden nun mehr Platz. Sie sind aus den Kellerdepots und somit aus der Überflutungszone der Sitter ans Licht gehoben. Die unprätentiöse Präsentation wird dabei auf selbstverständliche Weise dem Werk des Plastikers gerecht. So ruhen beispielsweise sechs Liegende auf dreigeschossigen Tablaren und sehen aus, als wär ihnen recht wohl dabei.

Dreigeschossig ist auch der Erweiterungsbau selbst. Durch den in der Mitte geöffneten Raum ergeben sich immer wieder neue, spannende Blickachsen. Überhaupt die Blicke: Wer sich trotz des regnerischen Wetters bis aufs Dach des metallenen Wohnquaders auf dem Kesselhaus wagt, wird mit einem wundervollen Rundumblick über das Areal belohnt. Von hier aus relativiert sich alles – das Atelierhaus ist nur noch eine Schuhschachtel, das Sittertal wird zur grünen Arena, das Kesselhaus zur imaginären Anhöhe, der Kamin zum Rapunzelturm.

Einmal mehr hat Felix Lehner das Potenzial des Ortes erkannt und mit Furrer und Flury herausgearbeitet. Alle drei betonen wiederholt die besondere, die besonders gute Arbeitssituation. Dort liegt wohl der Grund für das Gelingen: Wie in einer mittelalterlichen Bauhütte wird eng zwischen Bauherr und Architekt zusammengearbeitet. Diese Nähe macht gelassen, schafft Vertrauen, ermöglicht Experimente. Was entsteht, ist Qualität; zu sehen, zu begehen, vor allem zu benutzen.