Zünftige Kunst

by Kristin Schmidt

Das Künstlerduo a & a zeigt auf Einladung des Nextex wie Kunst ohne festen Raum funktioniert. Statt im White Cube gibt es Kunst im Open Cube.

„In St. Gallen kommt man um den roten Platz nicht drum herum.“ Sagen Amayi Wittmer und Annina Burkhalter alias a & a. Die beiden müssen es wissen, arbeiten sie doch seit Jahren gemeinsam im öffentlichen Raum. Die Kunst zum Leben zu bringen, ist ihr Ziel. Dass dabei lebendige Kunst entsteht, Kunst, die aus dem Leben schöpft, zeigt die aktuelle Ausstellung der beiden Künstlerinnen im Nextex, oder vielmehr für das Nextex – denn im Kunstraum selbst ist keine Kunst zu sehen.

Eigentlich war es ein Zufall, dass der neuerliche Umzug des Nextex ausgerechnet in die Zeit der Ausstellung von a & a fällt. Doch die Künstlerinnen waren froh darüber, keinen festen Ort nutzen zu müssen. Schliesslich passt das zu ihrer besonderen Form des Künstlerkollektivs: a&a sind Kunstgesellinnen. Sie gründeten beim gemeinsamem Studium an der Hochschule für Kunst und Design in Luzern eine Zunft, legten einen Gesellinneneid ab und sind seither auf Wanderschaft. Sie haben sich der Freiheit, dem Reisen und dem Leben verschrieben.

Wittmers und Burkhalters Ausstellung in St. Gallen besteht im Kern aus einem wöchentlichen „Krug“. Immer donnerstags wird in Anlehnung an den Krug-Brauch der Gesellen auf der Walz ein Treffen mit Alteingesessenen und anderen Wandernden einberufen. Er soll dem Kennenlernen und dem Gedankenaustausch dienen, und er findet stets an anderen Orten statt. Als erstes war der rote Platz, der Raiffeisenplatz dran. Er wurde Ort einer genau abgestimmten Aktion: Die beiden Künstlerinnen filzten. Filz hat wie auch das Belagsmaterial des roten Platzes keine Laufrichtung. Zu roten Teppichen oder Wolken verarbeitet, lässt es sich beliebig und im Gegensatz zur Tartanbahn temporär im Stadtraum platzieren. Zudem erinnert es an „Red Cloud“ und damit an eine der wenigen erfolgreichen Episoden im Freiheitskampf der amerikanischen Ureinwohner.

a & a bedienen sich eines Handwerkes, deuten es um, passen es an, reagieren auf Gegebenheiten. Immer dabei ist ihr mobiles Zunfthaus: ein ehemaliger Wohnwagen des Modells La Boheme. Die Künstlerinnen haben ihn ausgeweidet und verwandelt. Aus dem Reiseanhänger ist ein offener Atelier- und Aktionsraum geworden, ein Open Cube. Er bildet die Basis, das Zentrum und die Werkstatt der beiden Künstlerinnen. Mit ihm sind sie unterwegs und vor Ort. Ihn reichen sie weiter wie den Krug. Zu Allerheiligen wird er an der Talstation des Mühleggbähnlis stehen, Gerüche und Geräusche werden aus ihm herausdringen, aber ansonsten wird er die Feiertagsruhe nicht stören. Ausnahmsweise, wird in seinem Inneren, im Verborgenen gewerkelt. Die Filzwolken werden weiterverarbeitet.

An den danach folgenden Donnerstagen geht es spiralförmig durch die Stadt weiter und immer in anderer Hand. Europa: Neue Leichtigkeit ziehen in den Kantipark, Jan Buchholz bespielt den Tivoliweg 5, mit noch ungenannten Gästen geht’s zum Kinderfestplatz und zu guter Letzt zum Güterbahnhof beim Kugl. Das Nextex hingegen darf in Ruhe zügeln und sich dann zum Heimspiel in den neuen Räumen am Blumenbergplatz präsentieren.