Geld für alle

by Kristin Schmidt

Johannes Burr bringt im Nextex Kunst und Ökonomie zusammen. Der Ausstellungsraum wird zur Plattform für alternative Wirtschaftskonzepte und das Kinok zeigt eine Filmreihe zum Thema.

Die Bank aus Austauschform, der Kredit als Vertrauen, der Mehrwert unverkäuflich – was wäre wenn?

Eine oktogonale Bank dominiert den Hauptraum des Nextex, eine Bank aus Holz zum einander gegenüber Sitzen, zum miteinander Reden. Das Polysem zeigt sich hier von zweien seiner Bedeutungen: Das Möbel lädt nicht nur zum Verweilen ein, sondern es will auch Kreditinstitut sein. Zumindest die Basis dafür. Johannes Burr hat sie gebaut, um ein Zeichen zu setzen für den Austausch von Kreditnehmer und Kreditgeber. Darin nämlich sieht der in Basel und Berlin lebende Künstler die eigentliche Aufgabe einer Bank. Nur im Austausch lässt sich der Geldfluss sinnvoll steuern, nur so können alle ihre Fähigkeiten einbringen und alle daraus einen Nutzen ziehen.

Johannes Burr verwandelt das Nextex in eine Wirtschaftszentrale oder besser einen Wirtschaftsdenkraum. Der Künstler untersucht die ökonomischen Grundbegriffe, er zeigt die Schwachstellen des Geldflusses auf, setzt sich mit alternativen Konzepten auseinander. Auch wenn das alles bewusst nicht nach Kunst klingt und Burr sich denn auch eher als Initiator sieht, denn als Künstler, nahm alles im Kunstkontext seinen Anfang, genauer während des Kunststudiums. Schon so mancher Künstler sah sich mit der Frage konfrontiert: Was heisst es Kunst zu machen? Gleichzeitig liess sich Alltägliches nicht ausblenden: Wovon lebe ich? Wie organisiere ich mich? Burr nahm sich in der Konsequenz vor, einen Film zu drehen ohne Geld, übers Geld, der viel Geld einspielt. Gar nicht so einfach, zumal es Filme übers Geld schon einige gibt. So entschloss sich Burr Form und Inhalt zu vereinen und einen Film zu machen, der selbst Geld ist. Die Idee eines zirkulierenden Kreditkoffers mit Kamera entstand. Burr überlässt einer Person den Koffer sowie einen Vertrag und stellt vier Aufgaben. Die Person filmt und sendet den Streifen als Zins für den Koffer an den Künstler. Den Koffer indes gibt sie weiter. Eine Folge von Filmen entsteht. Die bisherigen Filme #1 bis #6 wurden unter anderem in Basel, Berlin, Brasilien und Polen realisiert.

In St. Gallen wurde nun der Kettenfilm #7 gedreht. Die einzelnen Abschnitte sind im Nextex zu sehen, allerdings sind sie nicht mit einem Kunstwerk zu verwechseln. Sie verstehen sich vielmehr als Dokumente der Interaktion, als unverkäufliches Nebenprodukt. Sie hinterfragen die Spielregeln des Geldes und liefern einen Kommentar zu den Chancen pluraler Autorenschaft. Überhaupt will Burr möglichst Viele einbeziehen. So ist denn auch nicht von einer Ausstellung im Nextex die Rede, sondern von einer offenen Plattform. Es gibt Vorträge, Gesprächs- und Diskussionsrunden, eine Filmreihe im Kinok, die wiederum von Gesprächen mit Regisseuren, Wirtschaftswissenschaftlern und Praktikern aus der Finanzwelt gerahmt wird. Selbstverständlich sind auch die „Hinter der Bar“-Abende mit St. Galler Künstlerinnen und Künstlern geeignet, über Kunst und alternative Ökonomie nachzudenken. Versteht sich, dass dabei auch das vieldiskutierte bedingungslose Grundeinkommen zur Sprache kommen wird. Burr selbst sieht dieses Modell nicht als Wohlfahrtseinrichtung, sondern als Investition in jeden Menschen im Sinne des lateinischen credere, des Vertrauens und Glaubens. 

Wer nun also beim Projektnamen „Geld für alle“ ins Träumen gekommen ist, wird feststellen, dass Bargeld im Nextex keines fliesst, doch viele Ideen und Fragestellungen rund um das Monetäre aufgeworfen werden. Und die Kunst? Johannes Barr jedenfalls könnte sich vorstellen, schon bald tatsächlich eine Bank zu eröffnen, eine für beides: zum Sitzen und für den Geldfluss.