Es war einmal in Amerika

by Kristin Schmidt

Die Ausstellung „Badlands“ in der Galerie Paul Hafner zeigt neue Werke von Ueli Alder. Der Urnäscher Künstler entwickelt ein vielseitiges Porträt der vereinigten Staaten.

Ein Rudel Rehe in verschneiter Landschaft, ein paar Felsen, Nadelholzgewächse, im Vordergrund eine Strasse – bis hierher passt alles in hiesige Gefilde. Doch die Horizontlinie liegt tief. Im Hintergrund der Szenerie spannt sich eine endlos scheinende Weite. Kein Berg, kein Wald und erst recht keine Stadt fesseln den Blick. Das Vertraute wird umfangen vom Fremden, von der Leere.

Ambivalenz prägte bereits die erste Ausstellung mit Werken Ueli Alders in der Galerie Paul Hafner. Ihr Titel, „Wenn’d gnueg wiit fort goscht, bisch irgendwenn wieder of em Heeweg“, liesse sich ohne weiteres unter die grossformatige Fotografie der Landschaft mit Rehen setzen, und doch ist alles anders.

Ueli Alder zeigte vor zwei Jahren Appenzeller Motive durchsetzt von Spuren exotischer Welten: ein Tipi neben einem Bauernhaus, ein Cowboy neben Schweizer Braunvieh. Ausserdem immer wieder der Künstler als Protagonist seiner eigenen Bilder – verwandlungsfähig, echt und doch entrückt. Zweifellos hätte der Urnäscher noch lange so weitermachen können, unzählige Varianten bieten sich an, die Fotografien fanden gutes Echo. Doch Ueli Alder ist einer, der fort geht, weiter arbeitet; einer der in der Ferne gleichzeitig das Neue und sich selber finden kann.

Als er ein einjähriges Auslandstipendium erhält, entschliesst der Künstler sich, gängige Pfade zu meiden. Er begibt sich nach Chicago, reist weit herum in den Vereinigten Staaten. Im Gepäck den Blick des Europäers vom Lande. Anfangs trug er sich noch mit dem Gedanken, weiterhin als sein eigener Schauspieler zu agieren. Doch dieses Korsett warf Alder bald einmal ab. Statt auf die Selbstinszenierung richtete er seinen künstlerischen Fokus auf die Inszenierungen eines Staates und seiner Bürger, aber auch auf die beiläufigen Situationen am Strassenrand, in der Landschaft oder in der eigenen Wohn- und Arbeitsgemeinschaft.

Alder zeigt dabei sowohl Gespür für die Aussagekraft einer Szene als auch für ihre visuelle Qualität. So kontrastieren verrostete Eisenbahnachsen mit silbrig schimmernden Zügen vor strahlend heller Skyline und wirken trotz ihrer Patina und Reglosigkeit als einzig mobiles Element im Bild. Vor einem Mahnmal mit tarngrünem Kriegsgerät lädt ein Kinderspielplatz mit blauer Reifenschaukel zum Spielen ein, oder auch nicht. Alder sucht diese Motive nicht, er findet sie auf seinen Fahrten durch das Land, auf Streifzügen durch die Grossstadt. Er hält die Augen offen und findet bauliche Überreste, Vergessenes und Unbeachtetes. In der Ausstellung stehen die analog entstandenen Aufnahmen entweder für sich oder werden in vielsagenden Diptychen oder Reihen kombiniert.

Religiöse Symbole wie das Kreuz mischen sich mit bedeutungsvoll eingesetzten Archetypen wie der Pyramide. Organisches Material wuchert in gemauerter Umgebung und trifft sich mit gestapelten Absperrungsgittern vor dem Washingtoner Kapitol – hier sind die Einzelteile komprimiert, dort wachsen sie zu einem Objekt zusammen. In den Innenraumaufnahmen entspinnen sich Dialoge auf engstem Raum, dem Arbeitsraum des Künstlers. Von hier kehrte er mit vielen Tausend Negativen zurück. Die Ausstellung „Badlands“, in sich geschlossen und stimmig, ist ein einzelnes Destillat aus dieser Menge. Des Künstlers Arbeit am Konvolut geht indessen weiter, er wird analysieren, suchen und Arbeitsanstösse weiterentwickeln.

Die Ausstellungsbesucher aber sollten sich das Video nicht entgehen lassen, dass sie noch einmal mit auf die Reise nimmt – in die Weite, in die Leere, ziellos und doch erfüllt.