Geformte Farbe

by Kristin Schmidt

Herbert Hamak stellt in seinen variantenreichen Arbeiten ganz grundsätzliche Fragen an das Bild und die Malerei. In der Galerie Christian Röllin sind seine Werke der vergangenen zwei Jahre ausgestellt.

Philipp Otto Runge empfahl im 19. Jahrhundert beim Gebrauch von Farbe auch die Masse derselben zu berücksichtigen. Der Maler, einer der Hauptvertreter der Romantik, formulierte damit ein Problem, welches die Künstler bis heute stark beschäftigt. Farbe als Malmaterial hat nicht nur einen Farbton, sondern ist zugleich auch Materie. Sie hat eine Masse, ein Volumen, eine bestimmte Dichte und Konsistenz. Nicht nur die Wahl der Farbtöne ist somit bildrelevant, sondern auch die stoffliche Beschaffenheit des Malmaterials.

Herbert Hamak ist ein Künstler, der sich in besonderem Masse mit diesen zwei Faktoren des Mediums und ihrer gegenseitigen Wirkung auseinander setzt. Bereits direkt nach seinem Studium begann sich der 1952 geborene, in Bayern lebende Hamak dem Materialcharakter von Farbe zu widmen. Nach ersten Versuchen mit dick aufgetragenen Farbschichten entstanden bald Bildkörper aus eingefärbtem Wachs mit Hilfe einer Gussform direkt auf der Leinwand. Von dort aus war es nur noch ein kleiner Schritt zu den Bildern aus Pigmenten und einem Wachs-Kunstharz-Gemisch, die seit zwei Jahrzehnten seine Arbeit bestimmen.

In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Christian Röllin sind Hamaks Werke der jüngeren Zeit zu sehen. Sie ziehen den Betrachter sofort in ihren Bann aufgrund ihrer in verschiedenen Bereichen wirkenden Qualitäten. Da ist zum einen die erst luzide, sich dann zur Mitte der Bilder hin zunehmend verdichtende Farbigkeit. An ihren Rändern ist die Farbe durchscheinend, fängt sich das Licht und verbreitet einen sanften Schimmer. In ihrem Zentrum vermutet man vollständige Dunkelheit, dazwischen breitet sich der Farbton wolkenartig aus. Jedes der Werke ist monochrom angelegt, doch die Hell-Dunkel-Abstufungen scheinen unendlich, ganz zu schweigen von den einzelnen verwendeten Farbtönen. Sie reichen von zart bis sonor, von transparent bis dunkelblau.

Die Arbeit mit der Farbe führte Herbert Hamak zur Arbeit mit der Form. Der Variantenreichtum ist auch hier sehr gross, aber ob dunkelrote Stele, dickere oder dünnere Farbquadrate, Farbwände, schmale hochformatige Tafeln oder eine fast einen Kubikmeter messende Bodenarbeit – Hamak betont stets den Bildcharakter seiner Werke. Und so führen seine Untersuchungen zu ganz grundsätzlichen Fragen an das Bild. Wie kann Farbe skulpturalen Charakter entfalten? Und was passiert, wenn die Farbmaterie grösser ist als der Bildträger? Interessant ist, wie die Wand selbst dann die Funktion des Bildträgers übernimmt. Oder was, wenn die Farbmaterie selbst über die Wand noch hinausreicht, so in der seriellen Hängung von sechs Einzelwerken? Hier wird der Raum selbst Teil des Bildes, etwas, was im zweidimensionalen Tafelbild kaum möglich ist, grosse Ausnahme ist da nur Lucio Fontana mit seinen «Concetto Spaziale». Und welchen Einfluss hat die Qualität des Bildträgers auf das Werk? Wo hört das Bild auf?

Die Reihe der Fragen liesse sich fortsetzen. Aber nicht nur die Farbigkeit und die vielfältigen inhaltlichen Fragen wecken das Interesse des Betrachters. Es ist das Material, dieses sanfte Schimmern, die matte Oberfläche und nicht zuletzt die grosse Präzision, in der die Arbeiten daherkommen. Gleich einem Alchimisten erforscht Herbert Hamak die unendlichen Möglichkeiten, die sich aus dem Spiel mit den gegebenen Materialien ergeben. Er giesst sie in immer wieder neue Formen, die immer wieder auch neue Aspekte des Materials und der Farbe zum Vorschein bringen.