Ein- und Ausatmen

by Kristin Schmidt

Das Künstlerpaar René Schmalz und Michaela Stuhlmann zeigt in Katharinen neue Objekte aus Kunststoff und Luft. Zwei Performances begleiten die Ausstellung «Raumhäute».

«Die Luft steht im Raum, vielleicht hängt sie auch» – und nicht nur die Luft. Der Satz aus der Performance von Schmalz/Stuhlmann könnte gut auch für die Objekte der beiden Künstler gelten. Hängen sie oder stehen sie? Schweben sie gar oder bewegen sich? Nur eines ist sicher: Es ist alles eine Frage des Blickwinkels und des Zeitpunktes. Denn die Arbeiten aus Plastikfolie verändern sich.

Die organisch anmutenden Formen füllen sich mit Luft, werden prall und dick, um kurz darauf wieder in sich zusammenzusinken. Sie richten sich auf und sacken wieder zusammen – ihre Haut ist schlaff und faltig im einen Moment, glatt und gespannt im anderen. Sie wirken beinahe lebendig, so, als holten sie Atem oder als werde ihnen dieser eingehaucht. Und ein bisschen ist es auch so, nur dass statt des göttlichen Luftstromes hier elektronisch gesteuerte Haartrockner wirken. Sie blasen eine gewisse Zeit lang Luft in die Foliensäcke und setzen dann aus – die Luft entweicht durch die Nähte der Objekte – sie erschlaffen. Kurze Zeit darauf setzt der Vorgang erneut ein.

René Schmalz und Michaela Stuhlmann haben mit diesen beweglichen Körpern ein subtiles, vielschichtiges Werk entwickelt. Es bewegt sich zwischen Spannung und Entspannung ebenso selbstverständlich, wie es die Pole Leben und Technik miteinander vereint, und definiert Raum auf neue, sehenswerte Weise. Der Raum wird nur dann als solcher wahrgenommen, wenn seine Grenzen definiert sind. Die Plastikfolie ist zwar Begrenzung, aber transparent und nicht auf eine bestimmte Form festgelegt. Immer spielt in den Arbeiten der beiden Künstler auch der Umraum – in diesem Falle der Kreuzgang von Katharinen – eine Rolle. Er ist der äussere Rahmen, dringt visuell in die Skulpturen ein, begrenzt sie oder lässt ihnen Platz und wird Teil der Gesamtinszenierung.

Es ist kein Zufall, dass Schmalz/Stuhlmann bei ihrer aktuellen Ausstellung auf eine Präsentation im eigentlichen Ausstellungsraum von Katharinen verzichten. Stattdessen bespielen sie den Kreuzgang und den Innenhof des ehemaligen Frauenklosters. Der Betrachter ist zu einem richtigen Rundgang eingeladen, einem Kreislauf, der jenem der Werke entspricht: Der immerwährende Wechsel zwischen Atemholen und Luftlassen der einzelnen Objekte, begleitet vom ständigen Klang der Föhngeräte, lässt sich in seiner Gesamtheit und der durchdachten Choreographie erst durch das wiederholte Abschreiten richtig erleben.

Das Handeln ist ein zentrales Element in der Arbeit von René Schmalz und Michaela Stuhlmann. So entstehen nicht nur die Plastikkörper für jede Ausstellung neu, sondern gleichzeitig nehmen Performances und Aktionen einen wichtigen Raum ein. Zur Vernissage der Präsentation in Katharinen vergangenen Freitag führten Schmalz/Stuhlmann «Zuckerspur» vor, während zwei Tage vor Ende der Ausstellung «Klangrausch» zu sehen und zu hören sein wird.

«Zuckerspur» funktionierte als sinnliche Auseinandersetzung mit sehen, hören, fühlen, schmecken. Beide Künstler sassen einander gegenüber, vor sich zwei Kassettenrekorder auf dem Tisch, aus denen Reflexionen zum Thema Flüssigkeiten und Sprichwörter zu Wärme und Feuer erklangen. Langsam liessen die zwei je fünf Kilogramm Zucker über die Geräte rieseln, bis kaum noch etwas zu hören, aber zwei Zuckerberge entstanden waren, die als Abdruckform für das Antlitz dienten. Das Ergebnis waren zwei verdoppelte, weisskörnige Selbstporträts: als Negativform auf dem Tisch und als Positivform in den Gesichtern.

Das macht neugierig auf «Klangrausch» am 10. August, eine Performance, die von den Künstlern als Stimm-, Klang- und Aktionsreise ins Unbekannte angekündigt wird. Wasser, Gläser, Schwirrbögen, Schläuche und eine Rauminstallation werden dann eine schaurig schöne Stimmakrobatik begleiten.