Alpleben im Stadtpark

by Kristin Schmidt

Am Samstagmittag ist es ruhig im Stadtpark. Nieselregen. Sanft wehen bebilderte Laken im Wind. Ein reichliches Dutzend kunterbunter Campingstühle steht verwaist vor dem Frauenpavillon. Dazu verführen Klänge von Akkordeon und Geige zu melancholischen Tagträumereien. Musik und Requisiten sind die Vorboten von «ALPtrachten», der aktuellen Tanzaktion von Gisa Frank. Bald belebt sich die Szenerie im Park, und selbst der Regen hört auf, als sich Frank und weitere 14 Tänzerinnen und ein Knabe auf den Campingstühlen versammeln. Doch das Sitzen währt nur kurz, bald werden die Stühle zusammengeklappt und die Tanzperformance weitet sich aus hinaus auf den Rasen. Allein schon das Spiel der bunten Kleidung der Beteiligten vor dem sattgrünen Gras ist eine Freude für die Zuschauer, und noch mehr sind es die Aktionen. Mal sind sie sparsam gesetzt, mal greifen sie in den Raum hinaus. So werden etwa die Hände zum Fernglas geformt und gewunken und sofort entstehen nicht nur spannende Sichtachsen, sondern der Stadtpark scheint sich zum Aussichtsberg zu verwandeln. Die Choreographin und Tanzpädagogin Frank hat sich mit ihrer tänzerischen Arbeit bereits seit einiger Zeit von der Enge und den Beschränkungen des umbauten Bühnenraumes befreit. Landschaft und Natur sind ihr nicht einfach Kulisse. Sie verändern die gesamte Arbeit und beeinflussen obendrein die Zuschauersituation. Die Betrachter sind nicht mehr das passive Gegenüber. Sie können sich bewegen, die Perspektive nach Belieben wechseln, in «ALPtrachten» werden sie sogar eigens dazu aufgefordert. Eine Akteurin ist mit einem Schiedsrichterhochstuhl ausgestattet und übernimmt es, das noch zögernde Publikum zur Ortsveränderung zu ermutigen. Gleichzeitig stösst sie mit sparsam gesetzten Worten die Gedanken an, so zum «Trachten» oder der «Alp». Ob nun Städter bei letzterer tatsächlich zuerst an Unwirtlichkeit und ewigen Schnee auf den Gipfeln denken, mag dahingestellt bleiben, aber «ALPtrachten» gelingt es vielfältige Bilder zu evozieren. Eine wichtige Rolle dabei spielt auch die Musik. Christian Fitze (Hackbrett), Werner Meyer (Violine), Flurin Rade (Akkordeon), Jürg Surber (Kontrabass) und Martin Benz (Bassklarinette) bewegen sich spielend zwischen Appenzeller Klängen und Caféhausmusik. Tanz und Ton reagieren aufeinander, das Ergebnis ist eine an Rhythmuswechseln reiche und die Zuschauer im wörtlichen Sinne bewegende Vorstellung.