Wirkungsvolle Gegensätze

by Kristin Schmidt

Wächst es gerade oder fällt es in sich zusammen? Bewegt es sich oder atmet gar? Das grosse graue Plastikgebilde in der Kunsthalle Wil gibt Rätsel auf. Mit nichts gefüllt als Luft schwebt es in dem schmalen lang gezogenen Raum, der noch zusätzlich verengt ist durch vierreihig angeordnete Dreiecke. Deren gelbgrüne und bedrohlich scharfkantige Spitzen bedrohen die matt glänzende Haut des grauen Ungetüms. Weicht es zurück oder behauptet es sich?

Lucie Schenker inszeniert mit «Spitz» und «Kumulonimbus» ein wirkungsvolles Gegensatzpaar und zeigt zugleich die Gemeinsamkeiten zwischen beiden. Hier wie dort ist Transparenz ein ganz wesentlicher Gestaltungsaspekt. Doch während die Wolke das Licht im Inneren umschliesst, senden es die Acrylglas-Dreiecke wieder nach aussen. Sie scheinen das Licht einzufangen und von innen heraus zu strahlen. Seit die St. Galler Künstlerin vor vier Jahren das Wirkungsprinzip selbst reflektierenden Materials für sich entdeckte, nutzt sie es in immer neuen Varianten. Schwungvoll schreibt sie grelle Chiffren in den Raum, fügt endlose Schwünge zu einer leuchtenden Spirale oder verwickelt sie zu einem glimmenden, unentwirrbaren Knäuel ohne Anfang und Ende. Faszinierend dabei ist, dass selbst dieses technoide Material sich erst durch die Arbeit der Künstlerin zu dem fügt, was es ist. Beinahe hundert Meter neongrüner Vierkantstäbe bändigt sie für manche der «Skripte» mit einem speziellen Heissluftföhn. Und selbst die Teile der Wolke fügte sie selbst zusammen. Im Spiel zwischen ausgeklügelter Form, visuell reizvollem Material und konsequenter Handarbeit entwickeln die Arbeiten Vitalität und Spannung.