Listiges Spiel mit den Ordnungen

by Kristin Schmidt

Längst ist das Museum Liner in Appenzell mehr als ein Liner-Museum. Es öffnet sich der klassischen Moderne wie auch aktuellen Künstlern. Im Idealfall profitieren beide Seiten – so jetzt mit Beat Zoderer.

Der Schweizer Künstler, Jahrgang 1955, hat eigens für den Eingangsbereich des Museums eine Arbeit entworfen, die nicht nur typisch für sein eigenes Schaffen ist, sondern sich gleichzeitig in vielfältiger Weise auf Liner-Gemälde bezieht. Gut zwei Dutzend alte Bilderrahmen aus dem Depot des Museums hängen aneinander montiert im grossen Südfenster des Raumes. Unter dem Titel «Liners Landschaften» zeigen die leeren Rahmen nicht mehr die gemalte, sondern die reale Appenzeller Landschaft. Und bereits hier offenbart sich sein Gespür für Materialwirkungen und Volumina, Fläche und Raum, für Ordnungen und Geometrie. Die Konstruktion bleibt ebenso sichtbar wie die zerschrammten Oberflächen oder die Klebeschildchen mit ihren Druckfehlern.

Beat Zoderer arrangiert Fundstücke des Alltags zu ebenso geistreichen wie witzigen Reliefs, Skulpturen und Bildern. Der Vielfalt seiner Skulpturen sind allein schon durch die Fülle des Ausgangsmaterials kaum Grenzen gesetzt. Ob alte Bilderrahmen oder bemalte Holzklötzchen, Gummiringe, gefärbtes Blech oder farbiger Passepartoutkarton, ob Papier, gelbe Haftetiketten, Goldfäden oder Nagellack in diversen Rottönen, bunte Wolle oder Klebebandspulen aus Pappe – Zoderer kombiniert, konstruiert, klebt und schneidet. Spätestens seit Dada ist alles kunstwürdig. Und dies ist nicht der einzige kunsthistorische Bezug. Die Assemblagen spielen lustvoll hintersinnig mit den Ideen der Minimal Art und der Konkreten Kunst. Weit entfernt von eklektischer Rückbesinnung persifliert Zoderer jene strengen und klaren Ordnungssysteme mit seinen urwüchsigen oder wuchernden Materialsammlungen. Er entdeckt das Schöne im Hässlichen, das Ungewöhnliche im Banalen, die Ästhetik des Weggeworfenen. Der Ausstellungstitel «Kabinettstücke» bezieht sich ironisch auf dieses Interesse am Verbrauchten und Wertlosen, indem die Exponate zu Preziosen erklärt werden. Die Ausstellung bietet im Sinne einer Retrospektive einen breit angelegten Überblick. Zwar folgt der Ausstellungsparcours formalen Prinzipien – «Addierte Volumen», «Kreisthemen» oder «Fräsungen-Lochungen-Stanzungen» -, doch ergibt sich daraus eine weit gehend chronologische Reihenfolge der Werke, die Tendenzen deutlich macht. Während seine frühen Arbeiten meist monochrom sind, begeistert sich der Künstler seit den frühen Neunzigern mehr und mehr für die mannigfaltige Farbgebung der Werkstoffe und ihre Wirkungen. Er geht schliesslich so weit, nicht mehr nur die bereits vorhandene Farbe seines Ausgangsmaterials in die Arbeiten zu integrieren, sondern die Hölzer zu bemalen oder den Leim zu färben.

In seiner jüngsten Arbeit «Plätzchen» klebt er mittels Farbe Leinwandstückchen aufeinander, sodass sich ein Mosaik aus kleinen weissen Flächen mit bunten Rändern ergibt. Es bleibt offen, ob Zoderer mit dieser Arbeit einen ersten Schritt in Richtung Malerei unternommen hat oder ob sie ein Einzelstück im Œuvre eines Bildhauers bleibt. Er ist in beiden Gattungen zu Hause und spielt hier wie dort sein untrügliches Gespür für Farbkontraste und Kolorit aus.