Zehn in Appenzell

by Kristin Schmidt

Appenzell — Anspielungsreich, hintergründig und etwas sperrig – der Ausstellungstitel «R.A.W. or the sirens of Titan» hat es in sich. Basierend auf Kurt Vonneguts Anti-Kriegs-Roman «Die Sirenen des Titan», erschienen 1959 in New York, kündet er von Krieg und Pazifismus, von Antike und Kosmos, von Weiblichem und Männlichem. Was kaum unter einen Hut zu bringen scheint, vereint Roland Scotti unter den Dächern zweier Häuser. Der scheidende Kurator und Museumsdirektor zeigt im Kunstmuseum Appenzell und in der Kunsthalle Ziegelhütte zehn Positionen als Gegenwelten zum Hiesigen, zum Irdischen, zum Kriegerischen. Zehn Künstlerinnen antworten mit ihrem Werk auf den Schriftsteller, auf den Kurator und überhaupt auf drängende Fragen in der heutigen Welt. Entstanden ist keine Gruppenausstellung mit Dialogen zwischen den einzelnen Werken, sondern eine Versammlung persönlicher Thesen, jede für sich in einem Raum. Den Auftakt gestaltet die in London lebende Suzanne Treister (1959), die Forscherinnen und Forscher des Genfer CERN um ihre Zeichnungen zu «ausserirdischem Leben» bat. Damit treffen alte Kulturtechnik und wissenschaftlicher Erkenntnisdrang, Imagination und Realität aufeinander. Auch Valérie Favre zieht es ins All hinaus. Die in Berlin und Neuchâtel lebende Malerin lässt Geistesgrössen in kleinen Nachen durch die Sternennacht gleiten. Während diese beiden Künstlerinnen detailreiche Bildwelten liefern, arbeiten andere im dreidimensionalen Bereich mit konkreten Gegenständen oder vorhandenen Gegebenheiten. Die St.Gallerin Asi Föcker (1974) inszeniert mit Spiegeln, Ventilatoren und einer ausgetüftelten Konstruktion das Licht. Prismenartig bricht es sich im Ausstellungsraum und geht eine Symbiose mit der kristallinen Architektur von Annette Gigon und Mike Guyer ein. Roswita Gobbo (1989) aus Rorschach stellt eine simple Holzbank in ihr fensterloses Kabinett und räumt jenen Eindrücken Platz ein, die sich erst bei genügend Zeit und Muse einstellen. Die Vaduzerin Martina Morger (1989) hat vor dem Haus eine Ausgrabungsstätte eröffnet und zeigt im Museum kleine gefundene Artefakte: Geschichte findet nicht nur in grossen Zeiträumen statt, sondern auch auf wenigen Quadratmetern; und mitunter kann ein Ohrring genausoviel erzählen wie ein ganzes Buch, wenn er nur genügend Aufmerksamkeit erhält. So zeigt es die gesamte Ausstellung: Nicht unbedingt die Lautesten liefern die hörenswertesten Kommentare zu den grossen Themen.