Das Eigene im Spiegel des Anderen

by Kristin Schmidt

Thomas Struth hat zum ersten Mal selbst eine Ausstellung kuratiert. Er zeigt seine eigenen und die Werke anderer Künstler aus der Hilti Art Foundation in einer sehenswerten Schau.

Thomas Struth hat in vielen Museen fotografiert und seine Bilder von Menschen in Betrachtung von Bildern sind inzwischen Ikonen. Sie porträtieren einerseits das Museumspublikum in der einzigartigen Atmosphäre der großen Sammlungen und rücken andererseits die zeitgenössische Wahrnehmung historischer Kunstwerke ins Licht. Aber was passiert, wenn Struth seine eigenen Arbeiten in Beziehung setzt zu den Arbeiten anderer? Wie nimmt er selbst die Werke wahr, wo findet er Schnittstellen?

Struth hatte uneingeschränkten Zugriff auf die zweihundert Werke umfassende Sammlung der Hilti Art Foundation – kein unendlich großes Reservoir, aber ein ergiebiges, wie die aktuelle Ausstellung im Ergänzungsbau des Kunstmuseum Liechtenstein zeigt. Struth wählte 17 Gemälde und Plastiken aus der Zeit vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart sowie 13 seiner Fotografien aus und knüpft damit ein vielschichtiges und dichtes Beziehungsnetz. So kombiniert er den Moment, in dem die Selbstrepräsentation zweier Touristinnen im Prado auf jene des spanischen Hochadels in Velazquez Gemälden trifft, mit zweien seiner Aufnahmen des Schaltwerkes in Berlin und einem weiblichen Torso von Lehmbruck. Angesichts der in Stein gegossenen Idealfigur geraten die Apparaturen des Schaltwerkes zu grotesken Gestalten, die zwar anthropomorph daherkommen, aber längst jegliche menschliche Dimension überschritten haben. Die Komplexität der Technik steigert sich in Struths Fotografien im nächsten Ausstellungsraum und kippt dort angesichts der Gemälde Klaphecks und Légers ins Absurde. Ist es diese Dominanz einer kaum noch vollständig zu beherrschenden Technik, die nach der idealen Landschaft oder der spirituellen Einkehr suchen lässt? Struth widmet den dritten und letzten Ausstellungsraum den Sehnsuchtsorten und lässt etwa Alberto Giacomettis «Buste d’homme (Eli Lotar II)» in ein vermeintliches Urwaldparadies blicken oder konfrontiert einen trostlosen Großstadtwinkel mit der Sublimität der Rothko-Kapelle. Dabei trifft er jedoch nie dogmatische Aussagen, sondern lässt den Arbeiten inhaltlich und ästhetisch ihren Raum und ordnet sie weder einem Ausstellungsthema noch einer gesellschaftlichen Theorie unter. Mit seiner äußerst sorgfältigen Werkauswahl und -platzierung lässt Struth die Kunst sprechen – der Kurator ist eben selbst Künstler.

Kunstzeitung, Lindinger + Schmid