Stadtansichten

by Kristin Schmidt

«Converter» vereint die Arbeiten dreier Künstlerinnen und dreier Künstler im Kunstmuseum St.Gallen. So verschieden ihre Bildsprache ist, so pointiert sind die Werke gesetzt und so schlüssig sind sie in ihrem gemeinsamen Kommentar zu den aktuellen Einflüssen auf die Gestalt der Stadt.

Parkourläuferinnen und -läufer, Traceur genannt, schreiben neue Zeichen in den urbanen Raum. Untersuchten die Situationisten noch die Psychogeographie der Stadt und damit die manipulative Wirkung des gestalteten Raumes auf das menschliche Verhalten, interpretiert Parkour die infrastrukturellen Vorgaben aktiv um. Stadtmöbel, Brüstungen, Kanten werden als Bewegungsangebote gelesen, werden elegant, effizient und kreativ umgedeutet. Parkour ist eine Haltung, Parkour sieht die Stadt neu. In diesem Sinne ist «Converter» Parkour. Die erste Transformation findet statt, indem die Künstlerinnen und Künstler den Stadtraum in das Kunstmuseum St.Gallen bringen. Nicht in einem metaphorischen Sinne, sondern real, radikal: Gabriel Kuri (*1970, Mexiko-Stadt) zeichnet mit einem verrenkten Stahlrohr von Boden zu Wand und zurück wechselnd eine Linie, unterbrochen wird sie von Kekspackungen, Banknoten und Steinbrocken wie sie in Stadtzentren als Barriere gegen Terrorangriffe genutzt werden. Kommerz, Abfall, Reglemente und deren Potential zur Übertretung sind hier miteinander verflochten. Daneben besitzt die heterogene, präzise gesetzte Installation skulpturale Qualitäten.

Nina Beier (*1975, Aarhus) platziert mehrere grosse Asphaltstücke auf dem Parkett im Oberlichtsaal. Auf jedem Brocken liegen zerteilte Schokoriegel – die im Strassenbau verarbeiteten Bodenschätze sind die Basis für den angeschnittenen Mars, die halbierte Milchstrasse: Kosmos und Konsum sind eins geworden. Während Beier mit Produkten arbeitet, konzentriert sich Raphael Hefti (*1978, Biel) auf die Baustoffe. Stahlbarren hat er über fünf Jahre hinweg wechselnden Temperaturen ausgesetzt und damit langwierige Alterungsprozesse simuliert. Über die schrundigen Balken hinweg bläst es aus einer vergitterten Tür wie aus einem U-Bahn-Schacht. Der Gegensatz zwischen der brutalen Zweckform der Stadt und dem klassizistischen Ausstellungssaal könnte kaum grösser sein. Die ausgestellten Arbeiten eignen sich die Museumsräume an, sie interagieren, sie kontrastieren mit der Architektur. Dass dies perfekt gelingt, liegt nicht nur an der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler, sondern daran, dass fast alle von ihnen die Werke eigens für die jeweiligen Räume realisiert haben. Überdies bleiben sie nicht in der formalen Auseinandersetzung stecken, sondern beziehen Stellung zu gegenwärtigen gesellschaftlichen Fragen, undogmatisch, aber bestimmt.