Lawrence Weiner: Was es braucht

by Kristin Schmidt

Endlich: Lawrence Weiner im Kunsthaus Bregenz. Die Ausstellung ist eine der konsequentesten und radikalsten in der Geschichte des Hauses: keine galerietauglichen Formate im Treppenhaus, keine Werkbeschriftungen an den Wänden, keine Objekte, Exponate oder Klänge, nur Worte und Raum vom Erdgeschoss bis ins dritte Obergeschoss.

Worte, die dem Raum, dem Haus gewidmet sind, die vom Stein ausgehen und damit das Material ebenso würdigen wie den Bau und das Licht darin: Stellt Lawrence Weiner Peter Zumthor aus? Dominiert Zumthors Architektursprache Weiners Kunst? Das Kräfteverhältnis ist ausgewogen und kippt einzig im Erdgeschoss mit der zusätzlich eingezogenen Wand: Sie verändert den vorhandenen Raum markant und trennt die Arbeit Weiners unnötigerweise vom Kassenbereich ab. Selbst nicht aus Stein trägt die temporäre Wand den ersten Satz: „Built up with stones fallen down from the sky“. Der Weg der Steine führt durch das Haus. „Up“, „Down“ – durch die Stapelung der Geschosse in spiralförmiger Bewegung. Erst hinauf bis in den dritten Stock. Hier sitzen die charakteristischen Weinerschen Lettern schräg auf der Nordwand des Raumes: „The boulders on top rent & split“. Blau über dunklem Gelb, gefasst mit einer kräftigen schwarzen Umrisslinie und wie immer bei Weiner in Englisch und der jeweiligen Landessprache: „Die Brocken obenauf zerrissen und gespalten“. Mit den eleganten Übersetzungen im Kunsthaus Bregenz formen sich nahezu geschlossene Sprachblöcke. Die englische und die deutsche Fassung treffen aufeinander, überlagern sich um einige Zentimeter. Die Interferenzflächen sind hellgelb. In diesen Flächen lösen sich Wörter und Bedeutung voneinander, Form und Gestaltung gewinnen an Gewicht. Noch stärker wirken diese Überschneidungen im zweiten Geschoss. Hier sind die Buchstaben grösser und horizontal gesetzt. Die formale Klarheit ist die elementare ästhetische Basis des Werkes. „Drawn out from a stone“: „Aus einem Stein heraus“ spiegelt sich im fugenlosen, hellgrauen Terrazzoboden vor der westlichen Wand. Der Lichteinfall ist ein anderer als im Stockwerk darüber. Wie kaum zuvor ist mit der Ausstellung die Umgebung des Hauses zu spüren, der See vor dem Haus, die Berge im Rücken, die Lichtführung Zumthors. Doch bei aller Sensibilität für die Architektur entfaltet sich das Werk Weiners unabhängig vom konkreten Raum und weit über diesen hinaus. Sätze wie „Manifest pressure leading to the release of whatsoever piezo can be found“, übersetzt mit „Innewohnender Druck befreit jegliches piezo so vorhanden“, sprengen die Dimension materieller, räumlicher Grenzen.