Im Zeichen der Arbeit

by Kristin Schmidt

Mähen, holzen, bügeln, nähen – Carl August Liner malte die Arbeit. Das Kunstmuseum Appenzell zeigt einen wichtigen Bereich seines Schaffens, der öfters in den Hintergrund gerät – und nennt die Ausstellung schlicht «Arbeit».

Landleben, Landliebe, Landlust – Hochglanzmagazine verheissen heutzutage die Idylle der ländlichen Existenz. Wer die Idylle früherer Zeiten sucht, wird bei Carl August Liner fündig, in seinen Trachten- und Landschaftsgemälden. Allzu oft wurde der Appenzeller Maler auf diese Sujets reduziert. Höchste Zeit also einen Aspekt in Liners Kunst zu würdigen, der ihm selbst viel wichtiger war und der das Leben auf dem Lande bis heute prägt: die Arbeit.

Das Kunstmuseum Appenzell, auch mit neuem Namen noch das Kompetenzzentrum für Carl August Liner und seinen Sohn Carl Walter Liner, besitzt knapp 600 Werke des Künstlers. Davon sind über die Hälfte Arbeitsdarstellungen. Das besondere an ihnen: Es sind selten Auftragswerke, sondern freie Arbeiten Carl August Liners. Sie zeigen sein besonderes Interesse am handwerklichen und bäuerlichen Tun, aber auch seine eigene Positionierung als künstlerisch Tätiger. Im Kunstmuseum Appenzell wird dies gekonnt inszeniert. Den eigentlichen Auftakt der Schau bildet die lebensgross gezeigte Fotografie Liners im Gespräch mit einem Senn. Auf der für eine Postkarte inszenierten Aufnahme begegnen sich zwei die unschwer als Schaffende zu erkennen sind, selbst, wenn die Arbeit ruht. Genauso auf der daneben hängenden Skizze „Selbstbildnis mit Senn“. Hier geniesst der Senn seine Pause und Liner arbeitet an der Staffelei. Es ist eine Idealsituation, bäuerliche Versatzstücke sind eingestreut, doch der Kern bildet die selbstverständliche Kommunikation der beiden in so unterschiedlichen Gebieten tätigen Männer.

Die Ausstellung ist typologisch gegliedert, verschiedenen Tätigkeiten sind verschiedene Räume gewidmet. Heuernte und Aussaat, Handstickerei und Holzarbeit sind wiederkehrende Themen Liners. Und als er in Ägypten und Italien unterwegs war, sind es die Eselstreiber, Schlangenbeschwörer, Seiler und Steinsäger, die ihn interessieren. In St.Gallen ist es die Küche der italienischen Wanderarbeiter an der Rorschacher Strasse. Bei all dem sind immer wieder spannende Einblicke in Liners Arbeitsweise möglich. So sind etwa die Gemälde mit Handstickerinnen am Fenster zugleich Studien über die Lichtführung im Bild. Ein grosses Werk wie „Der Mäher“ wird mit vielen Skizzen vorbereitet.

Carl August Liner war nicht nur künstlerisch aktiv. Er schrieb satirische Texte, gestaltete als Gebrauchsgrafiker Briefmarkenmotive, Postkarten und Plakate, illustrierte Kalender und Bücher, meldete einen transportablen Maltisch und eine Motor-Kleinmähmaschine beim Patentamt an, entwarf einen Kleinbus. Das bemerkenswerteste Zeugnis seines in viele Richtungen offenen Denkens ist der „Entwurf für ein St.Galler Werkblatt“. Es war der Versuch, eine Zeitschrift ins Leben zu rufen. Das „Organ für Arbeit und Kultur“ sollte jeden Samstag in St.Gallen und im Wirtschaftsgebiet Ostschweiz erscheinen. Geplant waren Texte zu wichtigen Bauten und deren Renovationen, Berichte über gute Reklame, und das Neben- und Miteinander von Industrie und Kunst. Damit ist diese Ausstellung am passenden Ort, entlehnte doch das Architektenduo Gigon/Guyer die Gestalt des Kunstmuseum Appenzell einem Fabrikgebäude. Beide bezeichneten ihren Bau mit dem markanten Sheddach auch als eine Ideenfabrik, eine Werkhalle für den Geist. Einen ganzen Sommer entfalten sich hier nun der Intellekt Carl August Liners und seine Wertschätzung der Arbeit.