Wechselnde Blicke auf gleiche Hügel

by Kristin Schmidt

Im Zeughaus Teufen ist eine „Annäherung an Deine Landschaft“ zu sehen. Die Ausstellung zeigt variantenreiche Blicke aufs Appenzeller Land und Gemälde Hans Zellers neben aktueller Kunst.

Was bedeutet uns Landschaft? Welche Umgebung bezeichnen wir überhaupt als Landschaft? Was macht sie mit uns? Was machen wir mit ihr? Wo suchen wir nach ihr? Viele zieht es in die Ferne für aussergewöhnliche Natur- und damit auch Landschaftserlebnisse. Dabei lohnt es sich, die eigene, die nächste Landschaft immer wieder neu in Augenschein zu nehmen, ihren Besonderheiten nachzugehen und ihrem Wandel. Zudem erlebt Landschaft jeder anders. Ueli Vogt, Kurator des Zeughaus Teufen formuliert es so: „Was sich vor dem eigenen Auge zeigt, ist immer individuell, denn jeder Punkt kann nur von einem Schauenden eingenommen werden. Und selbst, wenn verschiedene Menschen von der gleichen Position auf eine Landschaft blicken, wird jeder etwas anderes darin sehen.“

Wie wäre es also mit einem Perspektivwechsel? Beispielweise beim Anblick des Säntis: Monika Ebnder lässt ihn für einmal nicht als Massiv aufragen. Die Trogener Künstlerin hat ein Gipsmodell des Alpsteins entlang der Kantonsgrenzen zerteilt. Die sonst immateriellen politischen Grenzen treten plötzlich als tiefabfallende Schluchten in Erscheinung und geraten zum Sinnbild für Trennendes und Verbindendes. Das Letztere ist in „Annäherung an Deine Landschaft“ Programm: Ueli Vogt bringt erstaunliche Zusammenklänge ans Licht. So dürfen einige Hans Zeller-Bilder ihre Kabinette verlassen und zeigen ihr grosses Potential neben Gegenwartskunst. Mitunter sind die Parallelen recht offensichtlich, wie zwischen dem Gemälde eines Faltenwurfes der Herisauer Künstlerin Vera Marke und Zellers „Spätherbstlandschaft mit Blick auf Alpstein“. Der grauweisse Stoff bauscht sich zu Hügeln, fliesst in Täler hinab, wellt sich und gleicht den dick mit Schnee bedeckten Gipfeln.

Subtiler ist die Nähe zwischen Zeller und den Arbeiten von Verena Schoch. Die Kamerafrau und Fotografin aus Waldstatt reagiert auf die lichtdurchfluteten Landschaftsgemälde des Appenzeller Malers mit eigenen Aufnahmen. Der Alpstein wirkt in ihnen seltsam entrückt. Reflektierende Wasserflächen lassen Vorder- und Hintergrund ineinander gleiten und eine Brise zerteilt die gespiegelte Sonne in unzählige Lichtpunkte.

Auch für Ulrich Binder ist das Licht in der Landschaft wichtig. Der Zürcher Künstler porträtiert keine konkrete Gegend, sondern sucht einen malerischen Ausdruck atmosphärischer Stimmungen. Sehenswert auch sein aus 258 Bildern der Webcam Rigi-Kulm komponiertes Video. Jede der ausgewählten Sequenzen zeigt die gleiche und doch eine immer wieder andere Landschaft. Noch prägnanter wird dies in Vera Markes Film „Der Ausblick“. Monatlich zeichnete die Künstlerin per Video auf, wie sie eine grosse Fensterscheibe putzt. Der Fensterausschnitt wird zum Bild, das sich nicht nur mit den Jahreszeiten verändert, sondern auch während es eingeseift, gewischt und poliert wird. Und es regt an, den eigenen Blick aus dem Fenster wieder einmal bewusster wahrzunehmen.

Dass sich auch bewusstes Hinhören lohnt, wird mit Sven Bösigers Arbeit deutlich. Der Musiker und Künstler aus Gais konserviert und transformiert Ortsklänge, etwa das leise Atmen des gefrorenen Seealpees.

Wie schon zuvor sind einige der Arbeiten eigens für diese Ausstellung entstanden, so etwa Christian Rattis Fledermausexperiment, Jürg Rohrs Gittersätze, Anita Zimmermanns Säntisbild oder Texte von Ralf Bruggmann. Felix Stickel malte eine perspektivische Karte der beiden Appenzell direkt auf die Zeughauswand ganz ähnlich der berühmten Walserkarte aus dem 18. Jahrhundert, nur das bei Stickel weiter- und mitgewirkt werden darf. Und Roman Häne stellt sein Forschungsprojekt zu Andres Sulzer vor. Der Teufener Landschaftsarchitekt hat in seinen Arbeiten immer wieder die Appenzeller Hügel nachmoduliert. Doch wie spezifisch sind diese Hügel? Der Winterthurer Fotograf Christian Schwager blendet alles Umliegende aus. Seine grossformatigen Aufnahmen zeigen grasbewachsene Kuppen unter graublauem Himmel. So einfach und doch so schön.