Gold statt Dreck

by Kristin Schmidt

Barbara Signer und Michael Bodenmann erhielten 2012 einen Werkbeitrag der Stadt St. Gallen. In ihrer gemeinsamen Ausstellung „Wash Away Dirt The Elucidation“ loten sie die Grenzen aus zwischen Realität und Imagination.

Exotisch ist, was anders ist: fremd, selten und am besten von ganz weit her. In der Exotik spiegelt sich der Wunsch, dem immer gleichen Alltag zu entfliehen. In der Konsumgesellschaft wurde die Exotik zum Massenphänomen. Doch die Sehnsucht nach dem Unverbrauchten, Fremden lässt sich je weniger befriedigen, desto mehr Bilder und Berichte darüber zirkulieren, erst recht, wenn die Motive in diesem Kreislauf an ihren Ursprungsort zurückfinden. Wenn etwa das Signet einer japanischen Bar einen Herrn mit Schnauzbart, Frack, Fliege und Whiskyglas zeigt, spielt es mit europäischer Tradition ebenso wie mit einem Klischee der amerikanischen Prohibition. Wenn dieses Bild dann hier präsentiert wird, verliert es seine Exotik und hat höchstens noch anekdotischen Charakter.

Barbara Signer und Michael Bodenmann sind weit gereist. In ihren Arbeiten reflektieren sie die Brüche zwischen Fremdartigkeit und Normalität, zwischen Sehnsüchten und Realität. Beide Künstler erhielten im vergangenen Jahr einen Werkbeitrag der Stadt St. Gallen und zeigen nun im Architekturforum im Lagerhaus die Ergebnisse ihrer Arbeitsaufenthalte in China und Japan.

Im Zentrum der Ausstellung steht ein weisser Kubus. Zunächst wirkt er vollständig geschlossen, doch zur Rückseite des Raumes hin gibt eine türgrosse Öffnung den Blick auf das Innenleben frei. Nicht nur Blicke sind erlaubt, auch das Eintreten. Alles ist weiss, Innenwände, Decke, Boden, Beleuchtung und der Sockel in der Mitte. Darauf ist mit einer Nadel ein kleines Korallenstück gepinnt. Die Reduktion von Form und Farbe des Raumes lässt sofort an den White Cube denken. Überdies liesse sich der Kubus als Gegenstück zur Gestaltungsvielfalt des zeitgenössischen Lebens interpretieren, wäre da nicht die Musik. Sie dudelt vor sich hin, anspruchslos, gefällig, in der immer gleichen Schleife. Das japanisch-hawaiianische Popmusikstück lief in einer Bar und könnte das aber genauso gut in einem Kaufhausaufzug vor sich hin leiern. Plötzlich fällt auf, dass der Kubus nicht nur ein Zitat der architektonischen Moderne ist, sondern in seinen Dimensionen wohl nicht zufällig an einen Aufzug erinnert. Die scheinbare Reinheit in Farbe und Form löst sich auf in der profanen Wirklichkeit.

Und was hat es mit jenen goldfolienummantelten Bäumen auf sich in einer fünfteiligen Fotoserie? Die Vermutung liegt nahe, dass die Künstler mit dem Einpacken der Stämme die seltsam geordnete Rabattenanlage vor den Neubaublocks konterkarieren. Aber nichts da. Signer und Bodenmann haben die merkwürdige Anlage genauso vorgefunden wie sie sie abgelichtet haben. Mit der Goldfolie inmitten der in Reih und Glied sortierten Natur wird eines der riesigen chinesischen Neubauprojekte gefeiert. Absurd? Vielleicht, aber nicht absurder als die Aufforderung einer chinesischen Waschanleitung: „Wasche weg den Dreck die Erläuterung“, die den Titel für die Ausstellung lieferte. Barbara Signer und Michael Bodenmann finden die seltsamen Missverständnisse beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Vorstellungswelten. Selbst kleinste Verschiebungen registrieren die beiden Künstler aufmerksam. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für ihren wachen Blick bildet die Arbeit „Furano“ – die Fotografie eines unscheinbaren japanischen Hauses. Bei diesem Bild stimmt einfach alles, die Farbe, der Aufbau, das Motiv, die Schärfe, das Licht.

Signer und Bodenmann haben noch viel mehr Material von ihrer Reise mitgebracht und es bleibt spannend, wie es damit weiter geht.