Coalmine Gallery, Winterthur: Bournout. Dimitris Michalakis

by Kristin Schmidt

Kürzungspaket, Steuererhöhungen, Abbau der Verwaltung, Gehaltssenkungen: Diese Begriffe beherrschen die Berichte über die griechische Staatsfinanzkrise. Auch von Demonstrationen ist die Rede, von Arbeitslosigkeit und Protesten, aber was bedeutet das alles konkret? Wie sieht es in einem Land aus, das sich seit fünf Jahren in einer tiefen Rezession befindet? Dimitris Michalakis fotografiert die Menschen, das Land, öffentliche Plätze und Interieurs. Etwa ein leerstehendes Bett in der Psychiatrie – das Sparpaket erlaubt keine adäquate Betreuung der Insassen mehr; oder einen gehbehinderten Mann, der in seinem Auto lebt; drei herausgebrochene Zahnkronen.

Die Krise hat ihre lauten Seiten, Michalakis konzentriert sich auf die leisen Aspekte, jene, die im Ausland wenig wahrgenommen werden. Strassenschlachten klammert der Fotograf nicht aus, zeigt sie aber in berührenden Nahansichten. So sagt der abweisende, durchdringende Blick eines Polizisten über seinem Schild mehr über den Konflikt des Systems aus, als Krawalle und Brandsätze. Auch die Aufnahme einer menschenleeren, von geworfenen Steinen übersähten Strasse ist ein ungewohntes, aber ausdrucksstarkes Bild. Die Fotografie ist zudem ein gutes Beispiel für den gestalterischen Anspruch des 1977 geborenen Griechen. Sorgfältig sind die Hell-Dunkel-Kontraste ins Bild gesetzt. Die Farbigkeit ist düster, aber ausgewogen. Komposition, Bildtiefe, Horizont sind nicht dem Zufall überlassen.

Michalakis bewegt sich auf der Grenze zwischen Fotojournalismus und Kunstfotografie. Licht, Aufbau, Szenerie seiner Bilderserien sind durchgestaltet. Zwar dokumentiert Michalakis das aktuelle Zeitgeschehen, versteht sich aber nicht als Nachrichtenfotograf auf der Suche nach dem spektakulären, schnellen Bild. Seine Aufnahmen sind nicht neutral und lassen dennoch Raum zur Interpretation. In der Ausstellung in der Coalmine Gallery wird dies noch durch die Hängung unterstützt. Viele der Werke sind zu Paaren geordnet. Ein gekentertes, vor sich hin rostendes Schiff vor der Küste Eleusinas korrespondiert mit den kippenden Linien einer Aufnahme der Betonwüste Athens. Die Silhouette eines Hundes vor der Stadt findet ihre ästhetische Entsprechung in einem von Qualm umgebenen Demonstranten. Gestapelte Suppenschalen aus weissem Kunststoff wiederum stehen für sich – ein minimalistisches Motiv, in dem ebenfalls zahllose Geschichten von Einsamkeit, Verwahrlosung und Resignation verborgen sind.