Zwei Stockwerke voller Dialoge

by Kristin Schmidt

Galerist Christian Röllin zeigt zum zweitenmal eine Zusammenschau zehn verschiedener Künstlerinnen und Künstler. In der «Collection Selection II» trifft sich Bekanntes mit Neuem, Älteres mit Aktuellem.

Was haben ein 81jähriger Fotoreporter und ein junger finnischer Fotograf gemeinsam? Was eine knapp über 30jährige polnische Zeichnerin mit einer bald 60jährigen norwegischen Malerin oder dem holländischen Monochromisten? Sie machen alle Kunst. Aber das allein ist noch nicht bemerkenswert, Kunst ist bekanntlich ein weites Feld. Es sind vielmehr die feinen, kaum sichtbaren Details, die plötzlich Parallelen zeigen: kleine ästhetische Überschneidungen, ein Farbton, der über sich hinausweist, oder ein Sujet, das in der Zusammenschau einen ganz anderen Klang bekommt.

Möglich wird dies durch die von Christian Röllin kuratierte Zusammenschau «Collection Selection II». Insgesamt zehn Galeriekünstler sind mit einzelnen Werken oder kleinen Serien in der Ausstellung zu sehen.

Es sind Arbeiten und Künstler darunter, die bisher nicht in St. Gallen zu sehen waren, wie etwa Werke von Klaus Merkel, den Röllin bereits in seiner Zürcher Galerie präsentierte. Der deutsche Künstler malt Bilder aus Bildern. Er untersucht die (Re-)Produktionsbedingungen von Bildern: «Sämtliche Bilder und nicht nur die aktuellen sind von Grund auf Abstraktionen. So sind in jedem neuen Gemälde immer die abstrakten Elemente anderer, vorheriger Bilder verarbeitet.» Die Bilder im Bild sind als kleine Rechtecke aneinandergefügt.

Merkels anderes Markenzeichen ist ein lebendiger Farbklang aus roten, grünen, schwarzen und weissen Tönen, der in immer neuen Kombinationen und Variationen ein vielseitiges und dennoch homogenes Gesamtbild ergibt.

Damit korrespondieren die Tafeln mit den Gemälden Jos van Merendonks. Der auf grüne Kompositionen spezialisierte Holländer ist dank Röllin in St. Gallen längst kein Unbekannter mehr. Auch Ingmar Alges Gemälde waren mehrfach in St. Gallen zu sehen, und so lässt sich die Entwicklung des Vorarlberger Künstlers auf sehr direkte Weise mitverfolgen. Besonders jenes Gemälde mit einer sitzenden Rückenfigur mit Kopftuch zeigt Alges Gespür für aktuelle Themen, die er sehr diskret und undogmatisch in Bilder übersetzt. Ähnlich wie Marco Poloni, von dem eine Fotoserie zu sehen ist, die wenig Konkretes verrät über Ort, Zeit und Protagonisten, die aber umso mehr erzählt über die Gesellschaft, in der wir leben, und die Befindlichkeit des einzelnen.

Christian Röllins Ausstellungsräume mögen auf den ersten Blick nicht der ideale Ort für eine Galerie sein, aber gerade dieses spezielle Raumkonzept über zwei Stockwerke mit vielen Winkeln und Nischen und unterschiedlichen Wandoberflächen erlaubt eine vielseitige und den Werken gerechte Präsentation.

Was übereinander auf den zwei Etagen hängt, ist oft auch gleichzeitig zu sehen. Seitenarme bieten sich für winzige Kabinettausstellungen an. Eine schmale, dunkle Stirnwand lässt das dort präsentierte Werk wie eine Ikone wirken. Für Robert Lebecks Fotografien hingegen, die ebenfalls noch nie in St. Gallen zu sehen waren, steht eine Vitrine bereit.

Ob kleine Werke wie die Stick- und Collagenbilder von Ulla Jokisalo, ob das Leuchtkastenobjekt von Alex Hanimann oder Grossformatiges wie Malgorzata Jankowskas Zeichnung – für jedes gibt es den idealen Platz. So kann ein Gemälde Tim Ayres‘ auf einer ganzen Wand seine magentafarbene Pracht entfalten und die landschaftsartige Struktur der Lasuren scheint sich auf dem rauhen Putz fortzusetzen.

Christian Röllin erfüllt sich mit dieser Ausstellung den Wunsch, zusammen zu sehen, was bisher nur an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten ausgestellt war. Die dabei möglichen spannenden Dialoge der Werke erstaunen selbst den gestandenen Galeristen.