Ante Post Ante

by Kristin Schmidt

Das Kunstmuseum St. Gallen hatte immer wieder sehenswerte zeichnerische Positionen im Programm der letzten Jahre. Nun erhält Ante Timmermans hier seine erste Museumsausstellung. Die Schau offenbart Witz, Tiefsinn und die installativen und performativen Qualitäten seines zeichnerischen Werkes.

Sie hat keinen guten Ruf, die monotone Arbeit, eingebunden in starre Systeme, in Stechuhr- oder Kollektivzwänge: Was ist der Mensch mit dieser Arbeit mehr als ein animal laborans ohne eigenen Gestaltungsspielraum, unterdrückt und ausgebeutet? Ist nicht die künstlerische Arbeit das Gegenteil? Vollständige Freiheit des Tuns und Denkens? Was passiert, wenn die Automatisierung allen diese Freiheit erlaubt, weil die monotone Arbeit von Maschinen erledigt wird? Fragen, über die schon so manche Philosophen in Streit geraten sind – Ante Timmermans (*1976) nähert sich ihnen ebenso unbefangen wie geistreich.

So wie Routine ihren Reiz haben kann, trägt Langeweile das Potential der Poesie in sich – für den, der es zu nutzen versteht. Timmermans entzieht sich dem Sog des Belanglosen nicht, sondern setzt sich ihm aus. Für die Manifesta 9 im Sommer diesen Jahres entwickelte der belgische Künstler die Arbeit „Make a molehill out of a mountain (of work)“, die nun in St. Gallen zu sehen ist. Im Zentrum der Installation steht eine Büroszenerie von erdrückender Enge. Inmitten hunderter Kopierpapierstapel sind mit Stempel, Locher und Stempelkissen Arbeitsabläufe angedeutet, deren Sinnlosigkeit nur von ihrer Gleichförmigkeit übertroffen wird. Und doch: In den begleitenden Zeichnungen blitzt Humor auf, die eintönige Situation wird reflektiert und im selben Moment unterwandert. Der abgeschottete Schreibtisch wird zur Klause, zum schützenden Gehäuse des geistig regen Individuums.

Timmermans Arbeiten müssen sowohl in ihrer Präsenz als auch in ihrem Entstehungsprozess betrachtet werden, um des Künstlers Denkangebote wahrnehmen zu können. „Spieltisch (Homo ludens)“ etwa zeigt einerseits, was der von seiner (monotonen) Arbeit befreite Mensch nun zur Sinngebung im Alltag zur Verfügung hat: Es sind die Amüsements des Jahrmarktes, die jedoch verdächtig einem Hamsterrad gleichen. Andererseits funktioniert das filigrane Drahtgeflecht als subtiler Verweis auf das Bedürfnis, in mühevoller Kleinarbeit etwas von Bestand herzustellen, auch wenn es für Andere wie eine überflüssige Spielerei, eine Belanglosigkeit anmuten mag. Es erzählt denen, die sie lesen wollen, unzählige Geschichten und begeistert als Zeichnung im Raum.

„Ich bin auch eine Zeichnung“ schrieb Timmermans 2009 in neutralen Lettern auf ein Blatt Papier. Die ganze Ausstellung ist eine Zeichnung. Mit sanftem Nachdruck durchdringt sie Welt und Arbeit.