Kulturpreis 2013: Rosmarie Nüesch-Gautschi

by Kristin Schmidt

Rosmarie Nüesch-Gautschi ist die „Grubenmann-Frau“ und nicht nur das. Sie ist Denkmalpflegerin, Architektin, Vermittlerin, Mutter, war Kantonsrätin, Mitglied der Staatsbürgerlichen Arbeitsgemeinschaft beider Appenzell, Heimatschutz-Obmann.

Obmann? Obmännin? Rosmarie Nüesch hat sich ganz selbstverständlich in Männerdomänen bewegt zu einer Zeit, als es noch nicht einmal einen geeigneten Begriff für ihren Vorsitz des Heimatschutzes Appenzell Ausserrhoden gab. Sie war eine der ersten Architekturstudentinnen der Schweiz, war von 1970 bis 1999 im Vorstand des Heimatschutzes und von 1971 bis 1991 dessen Obmann. Auch als FDP-Präsidentin von Teufen und als Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Natur- und Heimatschutz und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege war sie jeweils 1978 eine der ersten Frauen. 1989 wurde sie zusammen mit Elisabeth Kunz erste Kantonsrätin; kurz nach der Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler Ebene. Gäbe es dafür einen Preis – Rosmarie Nüesch würde ihn wohl nicht annehmen, so selbstverständlich war ihr die Arbeit, so uneigennützig, pragmatisch ihr Engagement.

Aus diesem Geist heraus war Nüesch auch zur Stelle als für das Jubiläum «1979 – 500 Jahre Teufen» eine Gemeindebibliothek und eine Grubenmann-Sammlung zur Diskussion standen. Schon 20 Jahre vorher war Nüeschs Grubenmann-Leidenschaft geweckt worden, als der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverband(SIA) sie mit einer Ausstellung zu Hans Ulrich Grubenmann im Historischen Museum St. Gallen beauftragte. Eine Ausstellung im Auftrag der Pro Helvetia ging dann auf Reisen an alle westdeutschen Technischen Hochschulen und Rosmarie Nüesch mit ihr. Seither hat diese Baumeisterfamilie sie nicht mehr losgelassen – schon ein halbes Jahrhundert lang.

Rosmarie Nüesch hat Pläne und Holz-Modelle gesammelt, hat Arbeitsverträge, Abrechnungen, Berichte von Zeitgenossen und Druckgraphiken archiviert, konnte die Sammlung um fotografische und Planaufnahmen bereichern. Immer wieder fand sie bis dahin unentdeckte Dokumente und inventarisierte weiter. Es überrascht nicht, dass Rosmarie Nüesch als Grubenmann-Fachfrau bei der Instandsetzung von Grubenmann-Bauten in der ganzen Ostschweiz zu Rate gezogen wurde – und während ihrer Amtszeit als Obmann des Heimatschutzes wurden viele Bauten restauriert. Das Verständnis für Heimatschutz und Denkmalpflege war erst allmählich im Wachsen begriffen; in Appenzell Ausserrhoden wurde die Denkmalpflege erst 1991 auf kantonaler Ebene eingerichtet. Rosmarie Nüesch kämpfte häufig ohne die nötige institutionelle Absicherung im Rücken. Das bedingte viele Gespräche und das nötige Verhandlungsgeschick. Dutzende von Häusern wurden restauriert und umgenutzt, wichtige Bauten mit viel Einsatz gerettet, wie zum Beispiel der «Baumgarten» in Herisau, das Gätzihaus in Urnäsch, die hölzerne Gitterbrücke über den Rotbach bei Teufen und zusammen mit dem Verein „pro Freihof“ in Heiden dieses geschichtsträchtige Haus im Dorfkern. So viel Engagement strahlt aus. Der Wakkerpreis für Gais, oder der Schoggitaler für Trogen, aber auch die Einrichtung und der Betrieb der Grubenmann-Sammlung in Teufen und die nationale Vortragstätigkeit haben die Leute mit dem Appenzellerland in Verbindung gebraucht. Umgekehrt funktioniert dies genauso. Grubenmann zieht Architekten, Ingenieure, Interessierte nach Ausserrhoden. Erst recht, seit im vergangenen Sommer das Grubenmann-Museum ins Zeughaus Teufen eingezogen ist. Rosmarie Nüesch hat den Stab weitergegeben, dank ihr lebt das Erbe der Baumeisterfamilie weiter. Der Ausserrhodische Kulturpreis, der mit Fr. 25’000 dotiert ist, hat mit Rosmarie Nüesch eine würdige Preisträgerin gefunden.

Obacht Kultur, Nummer 14 | 2012/3