Sternennebel im Kochtopf

by Kristin Schmidt

In Rahmen der Ausstellung  „Holzweg“ von Com & Com war Bazon Brock zu Gast im Architekturforum. Der Denker sprach über „Artefakt und Ewigkeit. Wanderheiligtümer – Reisealtäre – Bundesladen“.

Werden sie die Langeweile aushalten? Nun haben Com & Com das Bloch am Bein. Es könnte es ihnen ermöglichen, nichtreligiöse Sinnstiftung zu erfahren. Aber um sich als Künstler zu erweisen, müssten Johannes M. Hedinger und Marcus Gossolt ihm jetzt 35 Jahre lang treu bleiben. Erst in der Erfahrung solcher Kontinuität zeige sich, ob einer nicht aus Opportunismus handele. Bazon Brock liess keinen Zweifel aufkommen an seinen Ansprüchen an Künstler. Gleichzeitig attestierte er dem St. Galler Künstlerduo ein hohes Potential, stellen sie sich doch einem Grundkonflikt der Moderne.

Kurt Schwitters hat es sich leicht gemacht: Als er Merz vom Com trennte und nur ersteres für seine Kunst beanspruchte, befreite er sich vom Markt. Com & Com behandeln das Problem durch affirmative Verdopplung. Sie stellen die Allmachtsphantasien der Werbungs- und Medienherrscher bloss, indem sie sich ihrer Techniken bedienen. So riskieren sie, deren Segen zu verlieren und allein dazustehen, wie alle Künstler, so Bazon Brock. Wer Com & Com kennt, ahnt, dass das die beiden nicht schrecken wird.  Immer wieder setzen sie sich gezielt dem Medientheater aus.

Brock hielt in seinem Vortrag fest, dass erst Passion und Mission zu künstlerischer Selbstachtung führen. Das lösen Gossolt und Hedinger zweifelsohne ein. Nachzuschlagen ist dies auch im backsteindicken Katalog des Centre PasquArt Biel. Dieses Buch war es auch, das den gestandenen Kulturvermittler, Theoretiker und Künstler mit den beiden St. Gallern zusammenbrachte. Oder vielmehr Kurator Thomas Zacharias, der Brock auf das Kompendium aufmerksam machte und es rot korrigiert zurückbekam. Das Interesse war geweckt, und nicht von ungefähr war des Blochs erste Auslandsstation Brocks Denkerei in Berlin.

In St. Gallen nahm Brock das Bloch zum Anlass über das Verhältnis oder vielmehr den Widerspruch von Artefakt und Ewigkeit zu sprechen: Die wissenschaftliche oder künstlerische Arbeit, die keine definitiven Antworten liefert, die stets auffordert weiterzudenken, steht im direkten Kontrast zum Verlangen nach Dauer, denn so Brock „man kann nicht arbeiten, ohne den Glauben, dass etwas Bestand haben wird“.

Doch wie lässt sich diesem Widerspruch begegnen? So würden religiös begründete Bräuche zivil genutzt, wenn es etwa auch im Parlament eine liturgische Ordnung gäbe. Oder Artefakt und Ewigkeit begegnen sich, wenn uns beispielweise beim Kochen einer Sternchensuppe die Gestaltanalogie zum kosmischen Nebel bewusst wird. Andere versuchen es mit der kultische Verehrung für profane Kunstwerke – analog zu Hegels Kunstreligion. Die Rezipienten stilisieren die Künstler zu Helden und Erlösern. Überhaupt die Künstler: Sie sind der Lösung am nächsten, sie können Erkunder, Propheten, Prognostiker werden, ohne den Konsens suchen zu müssen. Brock verwendet hier Theodor Herzls Begriff des Gestors. Jener denkt und weiss voraus und handelt für die selbst nicht Entscheidungsfähigen: „Der Gestor nimmt den Hut, setzt ihn sich auf und geht davon!“ Der Hut hängt in der Ausstellung „Holzweg“ schon parat.