Heimspiel zweier St. Gallerinnen

by Kristin Schmidt

Nora Rekade und Valentina Stieger kehren für eine Ausstellung in ihre Heimatstadt zurück. Unter dem Titel „Petting“ bespielen sie die Galerie vor der Klostermauer.

Scheusslich oder schön oder scheusslich schön? So manches Stoffdesign der achtziger Jahre schied schon in seiner Zeit die Gemüter. Und bis heute stellen die Farbkombinationen von violett, türkis und lindgrün das Auge auf die Probe. Auch die Muster entziehen sich jeder Beschreibung. Mal wirken sie technikinspiriert, mal wimmelt exotisch Florales, mal wird auf unbestimmte malerische Elemente verwiesen. Vor allem der abstrakte Expressionismus scheint immer wieder Pate gestanden zu haben. Aber warum? Welche Idee steht hinter den Zitaten impulsiver Pinselstriche oder formloser Farbwolken? Was riefen sie beim damaligen Käufer hervor? Wurde mit den Kunstanklängen versucht, den billig hergestellten Stoffen eine höherwertige Ästhetik zu verleihen?

Solche und ähnliche Fragen um die Absicht von Imitaten und um das Vermitteln von Wertigkeiten kommen in der aktuellen Ausstellung in der Galerie vor der Klostermauer immer wieder in den Sinn. Materialien werden auf ihren Sinngehalt hin geprüft, werden auf- und entwertet, Täuschungen werden entlarvt, um gleich danach neue Irritationen zu schaffen. Nora Rekade und Valentina Stieger zeigen die Vielseitigkeit und das Potential der materialästhetischen Verwirrspiele.

Wo das Pathos des amerikanischen Expressionismus der Haushaltswäsche einverleibt wird, dreht die in Basel lebende Valentina Stieger den Spiess um und zieht den Kissenbezug auf Keilrahmen und überzieht ihn mit Lackfirnis. Oder sie beklebt einen Vierkantstab mit blau marmorierter Folie. So entlarvt sie in der Form nicht nur die Materialillusion, sondern bringt zugleich einen hintersinnigen Kommentar zu Blinky Palermo an. Einem Sehnsuchtsposter mit Palmenstrand vor Sonnenuntergang verleiht sie mit Sprühschnee einen frostigen Hauch. Mit Mehrfarbenbuntstiften in Neontönen überzieht sie eine Holzplatte, so dass ein irisierender, dreidimensionaler Effekt entsteht. Ein zerknittertes Durchdruckpapier entführt in die unendliche Tiefe des Raumes und korrespondiert damit aufs Beste mit Werken aus dunklen Veloursstoffen mit geheimnisvollen Farbspuren – Arbeiten von Nora Rekade.

Die in wie Stieger in St. Gallen geborene, aber in Wien lebende Künstlerin hat die flauschigen Stoffe verzwirbelt, mit Farbe besprüht und wieder geglättet. Sie sind einfach an die Wand gepinnt oder liegen gerahmt und teilweise verglast auf dem Boden. Sie schimmern und glänzen, sie reflektieren das Licht oder schlucken es in undurchdringlicher Faserdichte. Die Farbflecken flackern wie Nordlichter im Nachthimmel oder Schatten in der Finsternis über das Dunkel der Stoffe.

Die Arbeiten vereinen die Reminiszenz an kostbare Gewebe mit der Existenz billiger Dekorstoffe und sind spielen zugleich mit kunsthistorischen Kategorien: Indem Nora Rekade die Stoffe besprüht und auf unterschiedliche Weise, niemals jedoch wie ein klassisches Tafelbild präsentiert, nähert sie sich Erwartungen an, umkreist, umgeht und hinterfragt sie. Dies gilt auch für andere Arbeiten Rekades etwa den Stecken aus Betonguss, der wiederum einen Dialog mit Stiegers Klebefolienstab aufnimmt. Diese Parallelen, Querverweise und Gegenüberstellungen verzahnen die Werke der beiden Künstlerinnen im Ober- und Erdgeschoss der kleinen Galerie. Auch zwei stockwerkgetrennte monografische Präsentationen wären in den Räumen möglich gewesen, oder sogar eine gemeinsam entwickelte installative Arbeit. Stattdessen haben beide einen spannungsreichen Parcours entworfen, der immer wieder mal die Frage aufwirft, was ist denn nun von wem. Im Sinne des Ausstellungstitels können sich die Arbeiten gedanklich berühren, ertasten, erspüren.