Farbe und Fundstücke

by Kristin Schmidt

Ernst Bonda stellt noch bis kommenden Sonntag in der Galerie Margrit Oertli aus. Ob Objekte, konkrete Poesie oder Malerei – alle Werke des St. Galler Künstlers haben einen Bildcharakter.

Ein Messingteil einer alten Uhr – es ist oxidiert, fast schwarz geworden, ein bisschen verbogen. Doch seiner vieleckigen Kontur und den kleinen Schraubenlöchern konnten Dauer und Einsatz nichts anhaben. Sie stehen für reine Funktion und sind reine Ästhetik.

Das kleine Stück gehört zur grossen Ernte Ernst Bondas. Er entdeckt, bewahrt und ordnet Objet trouvés; vom Märchenheft bis zum Gleisnagel, vom Zweiglein bis zum Schieferziegel. Das allein jedoch macht nicht die Essenz seiner Arbeit aus.

Bonda spürt das Wesen der Dinge, ihre verborgene Poesie, ihre Anmut und Aussagekraft. Und er versteht es, dieses Potenzial zur Entfaltung zu bringen. Das Messingteil etwa wird auf einem weissen Blatt Papier plaziert und in einen Kontext mit gerahmten Tuschezeichnungen gesetzt. Unwillkürlich offenbart es seine geheimen Qualitäten als kalligraphisches Zeichen.

Im Werk darunter: Sechs zarte Linien. Ein paar Werke weiter links: Vierzehn mal sieben Holznägel eines Thurgauer Riegelhauses auf einer rötlichen MDF-Platte. Einige Stücke weiter rechts: Zwölf Klavierhammer auf Weiss. Sonst nichts und doch so viel. Bonda beherrscht die Kunst der Reduktion. Das gilt ebenso für die Gemälde des 1923 geborenen St. Gallers.

Einfache, starke Formen leuchten aus den Leinwänden heraus. «Warum, wenn man älter wird, der Düsternis verfallen?» Helles Blau, Rosa, Gelb, Lindgrün – Ernst Bonda mischt sich die Farben selbst. Er legt Wert auf die Individualität seiner frischen Farbtöne, alle Vorgaben wären einschränkend. Überhaupt sind auch in seinen Gemälden die präzisen, die entschiedenen Gesten wichtig. Die Formen sind genau umrissen, die Pinselstriche exakt geführt. Beides jedoch läuft nicht kongruent. Die feinen Streifen in der Farbmaterie gehen den Formen nicht nach, sondern legen ein eigenes dynamisches Raster über das Motiv, das dadurch wie ein Bildausschnitt wirkt. Solche Feinheiten sind immer wieder zu beobachten. Sie bewahren den Charakter der Künstlerhand und vermeiden Monotonie. Auch der Bezug zur konkreten Kunst wird dadurch vielschichtiger. Ernst Bonda setzt sich bewusst mit den Konkreten auseinander und reagiert in seiner undogmatischen Weise darauf.

Mit der Kunstgeschichte ist es wie mit den Fundstücken, so manches entdeckt Ernst Bonda wieder, verwandelt es und erweckt es zu neuem Leben. So bekommt etwa Malewitschs schwarzes Quadrat ein Gegenstück. Das weisse Quadrat ist leicht verschoben und erinnert daran, dass auch das suprematistische Vorbild nicht perfekt, sondern ein lebendiges Kunstwerk ist, dass stets wieder von neuem eine Betrachtung lohnt. Andere Bilder erinnern an den Purismus Remy Zauggs. Wieder andere an die Objekte der Nouveau Réalistes. Doch trotzdem bleibt Bonda immer ganz er selbst: ein leichtfüssiger Brückenbauer zwischen den Gattungen und Disziplinen. Eine der Schnittstellen sind die Hölzer, die als Malgrund dienen und ihre eigene Struktur einbringen, erst recht, wenn das weiche Frühholz der Jahresringe ausgeschabt ist.

Bonda verbindet alles mit allem. Vom «Gewickelten Grün» bis zum «Fundstück» umfasst die Werkliste der Ausstellung 89 Nummern. Ob sie mit Farbe oder mit Worten, mit Kernseife oder mit Tusche ausgeführt sind: Es sind Bilder von einem, dem das Feinstoffliche ebenso wichtig ist wie die Materie. «Ein Zengedicht/mit sieben/Buchstaben/a c h t s a m.» Ernst Bonda verwirklicht täglich und mit jedem Werk und jedem Satz neu, was ihm wichtig ist: der bewusste Umgang mit Dingen und Gedanken.