Signers Heimspiel

by Kristin Schmidt

Kann eine Preisfeier gleichzeitig wortlastig und dennoch kurzweilig sein? Sie kann, wie die Verleihung der zehnten Prix Meret Oppenheim am Mittwochabend im St. Galler Palace zeigte.

„Wir wollen lebenslänglich Stühle flechten“ – also nicht, sich ausruhen, sondern weitermachen, arbeiten an etwas, das bleibt, das trägt. Meret Oppenheims Ausspruch ist der einer Künstlerin, die ein Leben lang ihre Horizonte erweiterte und neue Wege ging. Ihr ist denn auch der Prix Meret Oppenheim gewidmet, mit dem das Bundesamt für Kultur, auf Empfehlung der Eidgenössischen Kunstkommission, jene Künstler, Architektinnen und Vermittlerinnen würdigt, die sich längerfristig mit einem relevanten, aktuellen Werk situiert haben. Verliehen wurde der zehnte Prix Meret Oppenheim im Palace und fügte sich damit in das Preisfeuerwerk dieses Novembers ein.

Nach Bern, Zürich, Genf, Basel und Locarno nun also St. Gallen. Andreas Münch, Leiter Dienst Kunst vom Bundesamt für Kultur gestand bei seiner Eröffnungsansprache zwar ein, dass der Radar der Berner manchmal nur bis Zürich reiche, liess dann aber eine richtige Hymne auf das Kulturzentrum der Ostschweiz folgen, die Thomas Scheitlin treffend als „Laudatio auf St. Gallen“ charakterisierte. Der Stadtpräsident befand schliesslich, St. Gallen habe auch einen Preis verdient. Zuvor würdigte er jenen, dessentwegen der zehnte Prix Meret Oppenheim nun in die Ostschweiz reiste: Roman Signer. Waren seine früheren Arbeiten noch ein „ziemlicher Skandal“, so sei man doch jetzt sehr stolz, vor allem auf die zahlreichen Werke im öffentlichen Raum.

Von keinem war an diesem Abend so oft die Rede wie von Roman Signer. Auch Hans Rudolf Reust, Präsident der Eidgenössischen Kunstkommission, nutzte den Verweis auf Signers Arbeiten um das „Sprengpotential der Preise“ herauszustellen, die eine lange künstlerische Arbeit aufdecken helfen, eine Aufgabe, die auch der Publikation zukommt: Sie erscheint als Beilage zum Kunst-Bulletin und wird gemeinsam mit den Preisträgerinnen und Preisträgern erarbeitet. In Interviews geben sie dort einen Einblick in ihr kunsttheoretisches Denken. Doch auch den Laudatoren gelang es ausnahmslos kurzweilige und lohnenswerte Einblicke zu vermitteln. Der Ingenieur Jürg Conzett würdigte den Vriner Architekten Gion A. Caminada – ein Generalist, der zum Anwalt für den sorgfältigen Umgang mit bestehender Kulturlandschaft geworden ist und zu den führenden seines Faches in der Schweiz zählt.

Christophe Kihm sprach über den Genfer Performancekünstler Yan Duyvendak, der sich seit fast zwei Jahrzehnten interdisziplinär sozialen und kulturellen Phänomenen widmet mit besonderem Fokus auf Massenmedien wie Film, Fernsehen und Videospiele. Im Anschluss gab Duyvendak selbst noch eine Kostprobe seiner performativen Qualitäten mit einem getanzten, gereimten Kunst-Rap, der es auf die Formel brachte: „Kunst? Sie macht Dich selten reich, und wenn dann erst als Leich.“ Da kommt der Preis hoffentlich gerade recht. Die Zeile „Wir haben nie studiert, und schau es funktioniert“ könnte hingegen auch für Claudia und Julia Müller stehen. Die beiden Schwestern sind Autodidaktinnen und agieren seit 1992 als Künstlerduo. Madeleine Schuppli stellte in ihrer Laudatio die sympathische Arbeitsweise der beiden Künstlerkünstlerinnen und ihrer legendären Aufbaukommunities heraus. Eine Macherin auch Annette Schindler, Ausstellungskuratorin des Festivals der elektronischen Künste SHIFT und Leiterin von [plug in] in Basel. Patrizia Crevelli hob besonders Schindlers grossen Einsatz hervor für den Aufbau der in der Schweiz einmaligen und innovativen Institution für Neue Medien.

„Dauerbrenner“ Roman Signer schliesslich wurde von Max Wechsler gewürdigt, der mit dem schönen Bild schloss, dass Signers Pulver auch uns wärme.

So viele Redner und noch einer mehr: Renato Kaiser war für die kleinen Lockerungen zwischendurch geladen und erwies sich einmal mehr als witzig, wortgewandt und stilsicher. Der 24-jährige Goldacher, Gewinner von über 60 Poetry Slams, ging eigens für die Preisverleihung auf eine imaginäre Kunstreise an deren Ende er befand: „Kunst ist?“ oder lag die Betonung auf „Kunst ist….“? Ganz sicher „Kunst ist.“