St. Gallen : Katharina Grosse im Kunstmuseum

by Kristin Schmidt

Katharina Grosse (*1961) ist Malerin und doch auch wieder nicht, wenn Malern der Kontakt zum Maluntergrund mit Pinsel oder ähnlichem Gerät unterstellt wird. Zwar gibt es da ihre grossformatigen Tafelbilder, bei denen die Farbe mit breiter Bürste und gleichmässigen Schwüngen aufgetragen ist. Zum anderen sind aber seit der Ausstellung im Projektraum der Kunsthalle Bern 1998 gesprayte Wandarbeiten eine feste Grösse in ihrem Schaffen. Das jüngste Beispiel dafür ist im Kunstmuseum St. Gallen im Rahmen der ersten grossen Einzelpräsentation der international agierenden, deutschen Künstlerin in der Schweiz zu sehen.

Der Titel «Der weisse Saal trifft sich im Wald» deutet bereits auf das Herzstück der Ausstellung, auf die Wandarbeit im grossen Oberlichtsaal. Flächen wie diese lassen sich weder mit der Spraydose noch mit Pinsel oder Malerbürste bewältigen. Grosse arbeitet mit Spritzpistole und Kompressor. Dies hat vor allem die Befreiung vom Diktat einer begrenzten Fläche zur Folge. Die feinen Farbnebel verteilen sich überall, Architekturelemente stellen kein Hindernis dar. Allerdings begegnete der Künstlerin in St. Gallen eine besondere Herausforderung, denn der Oberlichtsaal wird von einem Gesims beherrscht, dessen Dominanz durch das Spiel von Farbe und weiss gebliebenen Vertiefungen noch verstärkt wird. An anderen Stellen behaupten sich die aufgesprühten Pigmente, etwa wenn Grosse ohne Rücksicht auf Türsturz, Laibung oder Ecken in den Nachbarraum hinüberarbeitet. Für Grosse bedeutet der Griff zur Spritzpistole nicht nur räumliche Freiheit, sondern gleichzeitig wird damit die materielle, physische Verbindung vom Maler zum Bild unterbrochen. Ohne den Umweg über den Pinsel treffen die Farben ungehindert auf die Oberfläche. Statt sich in einem bestimmten Duktus zu manifestieren, wird die grosse Geste direkt in den Raum übersetzt. Sehen ist hier gleich Sprayen. Jede Entscheidung findet ihren unauslöschlichen Ausdruck auf der Wand. Stärker noch als in den früheren Sprayarbeiten lassen sich in St. Gallen die Bewegungen der Künstlerin, ihr Agieren im Raum nachvollziehen, da sie die früheren, nahezu monochromen Farbwolken zugunsten einer stärker linearen Gestaltung auflöst – ein Prinzip, das seit zwei Jahren auch in ihren Tafelbildern Einzug gehalten hat. Allerdings begibt sich Grosse hier in die Nähe einer rein dekorativen Ornamentik. Die Kraft der grossen Geste droht in einem kalligraphischen Verwirrspiel unterzugehen.

Im Gegenteil dazu überzeugen ihre Farbflächenbilder durch die Unmittelbarkeit und die Konzentration auf die Grundbedingungen der Malerei, auf Farbe und Farbauftrag. Hier bleibt jeder Schritt angefangen vom Auftragen des Untergrundes bis hin zur letzten Farbschicht sichtbar. Die Reduktion auf eine überschaubare Palette lässt die von Katharina Grosse bevorzugten Farben wie Neongrün, Pink, leuchtendes Gelb und metallische Töne umso stärker hervor treten. In den Gemälden zeigt sie sich dann wieder als Künstlerin, die eine traditionelle Technik mit Attributen der Gegenwart belebt und zu einem plausiblen Ausdruck führt.