St. Gallen : Aleksandra Mir in der Kunsthalle St. Gallen

by Kristin Schmidt

Happening, Landart, Performance, Dienstleistungskunst, Skulptur? Aleksandra Mir ist in neuen und alten Kunstkategorien zu Hause. Verknüpft wird diese Vielfalt durch ihre grosse Leidenschaft: Ob in luftigen Höhen oder mit festem Boden unter den Füssen, alles dreht sich um Luft- und Raumfahrt. So steht die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle St. Gallen mit Werken der 1967 in Polen geborenen und in New York lebenden Künstlerin nicht von ungefähr unter dem Motto «Welcome Back to Earth».

Bevor eine glückliche Landung gefeiert werden kann, ist in der Regel erst einmal eine erdferne Mission zu bewältigen. So hat sich Mir 1999 die weibliche Eroberung des Mondes vorgenommen und hisste auf einem eigens umgebaggerten, niederländischen Küstenstreifen die Flagge der Vereinigten Staaten. Getragen von unverkrampftem Feminismus, verwandelte sie den Akt US-amerikanischer Okkupation des Alls in ein fröhliches Strandfest für alle, inklusive Videodokumentation. Der ironische Blick auf maskulines Eroberertum setzt sich fort in der Serie «11 Archival Nasa Photographs», die Astronauten bei einer Simulation kosmischer Zustände auf Island zeigt. Die Originalaufnahmen von durch vegetationslose Kraterlandschaften stapfenden Männern mit Cowboyhut verfehlen auch ohne Zutun der Künstlerin ihre Wirkung nicht. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet das aktuellste Projekt der Künstlerin «Plane Landing». Eigentlich sollte bereits jetzt in St. Gallen ein flugzeugförmiger Ballon in inszenierter Landepose zu sehen sein. Doch obgleich mit den Erbauern des weltumrundenden Breitling Orbiter 3 echte Spezialisten am Werk sind, erweist sich die technische Umsetzung als überaus schwierig. Bis der Ballon irgendwann aufsteigt (anvisiert ist mittlerweile der 13. September), muss sich der Betrachter also mit Computerzeichnungen und Fotomontagen begnügen. Aber bereits da zeigt sich das Potenzial der Idee. Bei den geplanten Installationen des Fliegers in New York, in Wüstengebieten des Nahen Ostens, in Paris und eben in der Schweiz wird stets eine andere Sichtweise dominieren. Den einen wird er als Symbol für Terrorismus und Krieg, den anderen als Zeichen einer grossen Luftfahrtnation oder aber des Niedergangs der nationalen Fluggesellschaft gelten. Alexandra Mir bietet eine nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich reizvolle Projektionsfläche für ein seit frühesten Menschheitstagen hochspekulatives und emotionsgeladenes Feld. Das Streben gen Himmel äussert sich aber bekanntlich nicht nur in der Flugzeugindustrie. Mirs «Aviation Libary», eine Sammlung in mehr oder weniger bewölktes Himmelblau gebundener Bücher mit gelegentlich auftauchenden Flugzeugen, offenbart den ganzen Reichtum der nach oben gewandten Sehnsüchte und Versprechen von spiritistischen Ratgebern bis hin zur Clinton-Biografie. Ob Flugapparat oder Ballon, mit den Vehikeln der Fliegerei lassen sich also so ziemlich alle Bereiche des Lebens abtasten und geistreich hinterfragen, zumindest, wenn Aleksandra Mir am Werk ist.