Guerilla Galerie: Die Achte

by Kristin Schmidt

Erneut bespielt die Guerilla Galerie für drei Tage einen leerstehenden Raum in der Stadt mit zeitgenössischer Kunst. Sara Masüger zeigt aktuelle Arbeiten im ehemaligen Obergwändlilade.

Der Raum ist ein Glücksfall. Es wäre einiges an Material und Konzeption nötig, um einen solchen Raum zu entwickeln, hier aber ist er einfach da. An jedem Quadratzentimeter ist zu spüren, dass nichts einer vordergründigen Gestaltung geschuldet ist, sondern dass sich die jahrzehntelange Nutzung des Raumes in denselben eingeschrieben hat. Verblichene Farbschichten, abgenutztes Parkett, Nischen, Täfer und das von Rohren und Leitungen durchsetzte grosse Gewölbe – ein Raum der für Sara Masüger denkbar beste Voraussetzungen bietet. Die Zürcher Künstlerin setzt ihre Werke nicht einfach in Ausstellungen, sondern reagiert installativ auf Vorgefundenes, was im Idealfall für beides, für Arbeit und Raum, zu völlig neuen Ansichten und Wirkungen führt. So beim jüngsten Projekt der Guerilla Galerie: Im ehemaligen Obergwändlilade in der Schmiedgasse zeigt Masüger für drei Tage eigens ausgewählte Arbeiten, die auf subtile Weise mit dem Raum eine Symbiose eingehen.

Masüger, 1978 in Baar im Kanton Zug geboren, untersucht die physische Erfahrbarkeit von Erinnerungen in enger Verbindung mit dem räumlichen Empfinden. Am menschlichen Körper und alltäglichen Dingen lassen sich Ängste, Projektionen und Erinnerungen nachfühlbar darstellen. Körperfragmente liefern den unmittelbarsten Eindruck von Befindlichkeiten, selbst oder gerade, wenn es die immer gleiche Hand ist, die sich auf den Galerieboden drückt. Es ist unschwer zu erkennen, dass ein Gummihandschuh, nicht eine reale Hand die Ausgangsform bildete. Doch gerade die Widersprüche zwischen der Glätte des Materials und den Brüchen, Lufteinschlüssen und Falten, sowie zwischen der natürlichen Grundform und der veränderten, wie aufgedunsen wirkenden Gestalt irritieren und bahnen gebändigten, verdrängten oder versteckten Emotionen neue Wege.

Masüger arbeitet sich immer wieder an Grenzbereiche heran, wo die Sprache den Empfindungen die Herrschaft überlässt. Jener mannshohe Türbeschlag mit Schlüsselloch und schlaff auf den Boden gesunkener Klinke, jene Bronzekette mit ihren unregelmässig geformten und dennoch überaus massiv wirkenden Gliedern, ja selbst die zugegipsten Fensterflächen verdichten sich in ihrer Zusammenstellung zu einer beunruhigenden Metapher für das, was war und was sein könnte, für jene Gleise der Lebenswege, die verdrängt werden und doch präsent sind. „I perfectly remember the way it should have been“ ist inmitten schwarzwolkiger Form auf einem gerahmten Blatt zu lesen – das Hypothetische und die Sehnsucht als Triebkraft schwerer Gedanken, die unter dem mächtigen Gewölbe in der Schmiedgasse einen adäquaten Platz finden. Aus den Wänden, dem Lavabo, den Parkettfugen strömen sie hervor, angeregt von Masügers Arbeiten. Aussliesslich in schwarz oder weiss gehalten, bildet die Kunst einen markanten Kontrast zur Atmosphäre des Raumes, seiner verblichenen Ästhetik und verbindet sich doch mit ihm zu einer überaus homogenen Installation.