Digitale Signale

by Kristin Schmidt

Die aktuelle Ausstellung im nextex versammelt Arbeiten, die auf digitaler Technik basieren. Unter dem Titel „ctrl+0“ sind Werke von sechs Künstlerinnen und Künstlern zu sehen.

 Ist ein Video ein digitales Kunstwerk oder ist es primär als filmische Arbeit anzusehen? Ist eine mit der Digitalkamera aufgenommene Fotografie digitale Kunst? Zweifelsohne sind die digitalen Medien aus der Kunst nicht mehr wegzudenken. Schwieriger ist es mit ihrer Einordnung, ihrer Kategorisierung innerhalb der etablierten Gattungsbegriffe, denn so sehr sich Künstler auch immer wieder engagierten gerade diese Grenzen niederzureissen, so präsent sind sie bis heute. Gespiegelt wird dies nicht zuletzt im institutionellen Bereich. Für die neuen Medien sind das etwa das frühere „Forum für Neue Medien“, das neue Haus für elektronische Künste in Basel, das Online Museum für digitale Kunst (DAM) oder das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.

Aber wie weit wirkt sich die Technik nun aus auf die Inhalte und die Ästhetik? Wie sinnvoll ist es, digitale Kunst als eigene Kunstgattung zu betrachten? Diesen Fragen widmet sich die aktuelle Ausstellung im Nextex mit Werken sowohl junger als auch seit langem mit der digitalen Technik arbeitender Künstler und Künstlerinnen.

Guido von Stürlers Fotografien zeigen wie beiläufig aufgenommene Sujets, eine Bootstankstelle, Menschen auf der Strasse, die Plicht einer Yacht. Nichts Spektakuläres also; wären da nicht die Flammen, die plötzlich aus der Zapfsäule, einem Rollkoffer oder dem Mast aufsteigen. Der Widerspruch zwischen Szenerie und Geschehen verweist auf die Manipulation der Bilder, doch ihre Perfektion wirft den Betrachter wieder zurück auf das Motiv. Die digitale Bildmontage des Thurgauer Künstlers sorgt für eine sich nicht auflösende Ambivalenz. Dies gilt auch für die Serie „Germania Flats“ von Alexander Hahn. Der in New York und Zürich lebende Künstler präsentiert klassisch aufgebaute Landschaften: Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund, Berge, Küste, Meer. Dem einen oder der anderen mag der Landstrich bekannt vorkommen und doch auch wieder nicht. Hahn verwendet Höhenmodelldatensätze des Golfs von Neapel, aber Vegetation oder Zivilisation fehlen in den Bildern vollständig. Der Sehnsuchtsort ist verwandelt in eine karge Landschaft, wie sie aus Video- und Computerspielen bekannt ist. Hahn verwebt reale und künstliche Bildwelten sind zu einem mysteriösen Ganzen.

Ernst Thoma konzentriert sich auf den eigenen Körper und verleiht ihm im Video „Körpermodulationen“ eine völlig neue Ausdruckskraft. Durch Teilung und Spiegelung wird der Leib fragmentiert bis zum Ornamenthaften, aber niemals losgelöst von seiner physischen Präsenz. In der harten Ausleuchtung und vor tiefschwarzem Hintergrund treten Falten, Wunden, Geweberisse aufs Deutlichste in Erscheinung – Natur und Abstraktion sind hier aufs engste verbunden.

Auf ganz andere Weise befassen sich Sarah Bühler und Prisca Wüst mit dem Körper. Zunächst ist dies kaum erkennbar im ornamentalen, wandfüllend projizierten Wabenmuster. Kleinste Verschiebungen und Bewegungen in den lenken die Aufmerksamkeit auf die kleinsten Zellen der Gesamtstruktur: Hier trainieren Menschen an Fitnessgeräten. Die beiden jungen Künstlerinnen liefern mit ihrer Arbeit einen vielschichtigen Kommentar zu Vermassung und Vereinzelung des Menschen und zu seinem Verhältnis zur Maschine.

In der Ausstellung zeigt sich, dass neue Technologien einige Herangehensweisen überhaupt erst ermöglichen. Inhalte können so auf grundlegend andere Weise visualisiert oder wie im Fall des Basler Künstlers Jonathan Ruf zu Gehör gebracht werden. Seine Arbeit wird im Januar im Rosenkeller die Unmittelbarkeit von Klang im Raum thematisieren und eine weitere wichtige Facette digitalen Arbeitens vorstellen.