Glasur als Malerei

by Kristin Schmidt

Christian Röllin zeigt in seiner Galerie Werke des Amsterdamers Marien Schouten. Seit Jahren widmet sich der Künstler keramischen und malerischen Arbeiten.

Keramik – da denkt der eine an den Zahntechniker, die andere an die Plättli im Badzimmer und der dritte an den Töpfermarkt. Die Bildende Kunst folgt erst einige Plätze weiter hinten in der Assoziationskette. Die magische Grenze zwischen angewandter und bildender Kunst mag so manchen Künstler davon abgehalten haben, sich mit dem Material Ton und seinen Möglichkeiten zu befassen. Andere reizte und reizt gerade das: Peter Fischli und David Weiss etwa, Lucio Fontana oder Thomas Schütte. Und Marien Schouten.

Der Amsterdamer Künstler arbeitet seit 10 Jahren mit Ton. Die Vorwürfe, Keramik sei Kunsthandwerk, beeindrucken ihn nicht. Ganz im Gegenteil, sie geben ihm den Freiraum, unbehelligt die plastischen Qualitäten des Materials ausloten und seine Nähe zur Malerei untersuchen zu können.

Seit langem beschäftigt Schouten die Frage, wie sich die Malerei im Raum verhält und wie die Umgebung auf die Malerei wirkt. Der Künstler konstruierte aus  architektonischen Elementen, Gittern und strukturiertem Glas Reaktionsräume für seine Gemälde. Einen Höhepunkt stellt zweifellos „Green Room/Snake“ aus dem Jahre 2004 dar mit seinen Wänden aus vollständig aus grossformatigen grün glasierten Tonziegeln – die Malerei umfängt den Betrachter von allen Seiten. Diese Installation gibt es in der Galerie Röllin zwar nicht zu sehen, dennoch vermittelt die Ausstellung einen anschaulichen Eindruck der aktuellen Arbeiten Schoutens.

Vor einigen Jahren hat der Künstler eine Form als Basis für seine keramischen Werke entwickelt. Sie wirkt wie ein Wesen mit Kopf, Augen, Kiemen, Schnauze oder Schnabel – doch was es genau ist, darauf kommt es letztlich nicht an. Schouten hat mit dieser Gestalt einen Typus kreiert, der eine Arbeitsbasis darstellt. Befreit vom Anspruch die Form immer wieder erfinden zu müssen, lässt sich an der Gestalt immer weiter arbeiten, sich ans Ideal herantasten. Auch wenn sie siebenfach in der Galerie zu sehen ist, ist sie niemals dieselbe. Grösse und Form variieren ebenso wie die Farbe.

Schouten experimentiert mit unterschiedlichsten Glasuren und erzielt überzeugende Resultate. Die grüne, braune oder weisse Farbe fliesst, bildet Seen oder Kristalle aus und vielfältige Mikrostrukturen. Die Oberflächen wirken lebendig, irisierend und transparent, Malerei pur. Sie findet ihre Entsprechung in den ausgestellten Papierarbeiten. Auch hier gibt es Farbverläufe, Zonen mit dichter und solche mit durchscheinender Farbe. Selbst die kristallinen Strukturen wiederholen sich hier, Schouten erreicht dies mit Klebstoffpulver. Er lässt das Material für sich arbeiten. Dies gilt auch für das Papier, dass sich unter der nassen grünen Farbe wölbt, sie aufsaugt und wieder neue Verläufe ermöglicht. Immer wieder bleibt auch das Weiss der Blätter stehen und gibt den Blick frei auf ein Bleistiftraster, dass unter dem Grün liegt. Diese Linien sind das sichtbarste Zeichen für einen Kontrast, der Schouten immer wieder fasziniert, jenen zwischen der formlosen Materie und der Struktur. Er existiert auch in den Keramiken: Auf der einen Seite ist die dreidimensionale Gestalt mit ihren bewusst gesetzten Rippen, Bögen, Löchern, Rundungen und auf der anderen Seite werden diese überlagert von der Glasur mit ihren zufallsbedingten Details.

Immer wieder, wenn Schouten über seine Arbeit spricht, kommt ihm die Musik in den Sinn, der Rhythmus, die Melodie und die Tatsache, dass sich ein Instrument nicht zwingen lässt, genauso wenig wie die Farbe. Schouten lässt sich auf sie ein, reagiert auf sie und kann so ihre ganze Vielfalt zeigen.