Facetten der Arbeit

by Kristin Schmidt

Karin Bühler aus Trogen und Ursula Palla aus Zürich sind mit künstlerischen Beiträgen an der Kulturlandsgemeinde 2011 vertreten. Beide Künstlerinnen zeigen die Arbeit aus ungewohnten Perspektiven.

Arbeit und Schlaf – beides scheint einander auszuschliessen. Die Kulturlandsgemeinde 2011 thematisiert das eine, Karin Bühlers eigens für diesen Anlass entwickeltes Werk das andere – so zumindest wirkt es auf den ersten Blick. Doch wenn die Trogener Künstlerin im Spiel ist, darf getrost davon ausgegangen werden, dass es um mehr geht als die Konfrontation zweier konträr wirkender Themen.

Karin Bühler ist stets auf der Suche nach verborgenen Zusammenhängen, nach dem, was nicht offensichtlich, aber dennoch hochwirksam ist. Statt zu illustrieren, was auf der Hand zu liegen scheint, arbeitet sie sich subversiv, gleichsam von der Rückseite her an den Ausgangspunkt heran. So ist die ausführliche vorausgehende Recherche ein gemeinsames Merkmal ihrer Arbeiten. Das heisst nicht, dass es den spontanen Einfall nicht gäbe. Beides geht eine Symbiose ein. Da ist einerseits die Informations- und Materialsammlung, für die Karin Bühler Archive, Bibliotheken und das Internet durchforstet. Andererseits ist da jener Augenblick, in dem der zündende Gedanke sich einstellt. Der jedoch kommt nicht unbedingt dann, wenn man seiner harrt. Er lässt sich nicht zwingen. Er kommt, wenn die Alphawellen fliessen.

Karin Bühler hatte längst beobachtet, dass es jene kreativen Momente gibt, in denen die Informationen strömen, jene Momente erhöhter Erinnerungs- und Geistestätigkeit, die zusammenfallen mit Phasen der Entspannung. In ihren Nachforschungen stiess sie auf Anekdoten, Fallbeispiele und zahlreiche Untersuchungen der Neurowissenschaftler und Biophysiker zu diesem Phänomen eines höheren Bewusstseinszustandes.

Entspannung ist also nicht gleich Entspannung und Schlaf nicht gleich Schlaf. Gut möglich, das einer hinter seinen geschlossenen Augenlidern die grosse Idee ausbrütet, jenen zentralen Punkt im Selbstverständnis von Künstlern und Künstlerinnen. Karin Bühler hat sich dem Ziel verschrieben, das Wesen dieser Idee zu erforschen. Sie interessiert das Immaterielle, das hinter allen Arbeiten steckt. So illustrieren die schlafenden Menschen in Bühlers  Kulturlandsgemeindebeitrag „Quasi aus dem Nichts“ nicht einfach das klassische Nickerchen. Ob auf auf der Flughafenbank, auf dem Schaltpult, vor der Tatstatur, in der U-Bahn, in Gruppen oder einzeln, jung oder alt, weiblich oder männlich: Diese rhythmisierte Bilderfolge von Tagschlafenden öffnet einmal mehr jenen unendlich grossen Raum jenseits der fass- und sichtbaren Dinge. Und wenn der letzte der vier Werkteile mit der Feststellung schliesst „Ideen entstehen, wenn das Denken ruht.“, hat jeder Betrachter und jede Betrachterin eine Reise hinter sich, die ihn oder sie vielleicht selbst durch jenen produktiven Entspannungszustand geführt hat.

Handfester geht es da bei Ursula Palla zu. Da stapelt beispielsweise eine junge Frau Teller um Teller aufeinander, bis das ganze Porzellanbauwerk in sich zusammenfällt. In einer anderen Sequenz, färben Arbeiter Blumen und Gräser. Weisse Nelken, Astern oder Rosen werden in Farbbäder getaucht, ausgeschüttelt und verpackt. Natürliche Schönheit verwandelt sich in Austauschware und Sondermüll.

Immer wieder interessiert sich die Zürcher Künstlerin für die Spuren, die Arbeit hinterlässt, und den Wert, der ihr zugemessen wird. Immer wieder scheinen Gegensatzpaare in Pallas Werken auf: Arbeit kann als zerstörerische oder aufbauende Kraft wirken. Bezahlte Arbeit steht der Hausfrauenarbeit gegenüber. Auch die künstlerische Arbeit hat zwei Seiten. Palla untersucht das komplexe Verhältnis zwischen künstlerischem Tun und dem Resultat einerseits sowie öffentlicher Wahrnehmung, Vermittlung und Wertschöpfung andererseits. Dafür fügt sie Fotografien ganz unterschiedlicher Provenienz zueinander, Aussen- und Aterlieraufnahmen, Aufnahmen von Akteuren und Betrachtern. Das Ergebnis sind Bildfolgen von hoher Suggestivkraft, in denen es weniger darum geht, Antworten zu geben, als vielmehr Denkanstösse zu liefern. Die Besucher der Kulturlandsgemeinde sind also eingeladen, ihren Teil zur Arbeit beizutragen.