Fülle aus dem Verzicht

by Kristin Schmidt

In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Friebe werden Werke zweier Karlsruher gezeigt. Sabine Funkes Gemälde und Karlheinz Bux´ Zeichnungen gehen ein spannendes Wechselspiel ein.

Sabine Funkes Gemälde leuchten. Rein aus der Farbe heraus entwickeln sie eine Strahlkraft, die schon so manchen Betrachter verblüfft fragen liess, wo sich die Lichtquelle verberge. Das Geheimnis liegt aber vielmehr der Künstlerin untrüglichem Gespür für Farbe, für ihre Kraft und Materialität, ihre Tonwerte und ihre Kontrastpartner und in Funkes Arbeitsweise.

Formal sind die Gemälde denkbar einfach aufgebaut: Sie bestehen aus rechteckigen Flächen – ausschliesslich vertikal und horizontal, also in Korrespondenz zur gesamten Bildfläche angeordnet. Die Flächen sind jedoch nicht als solche ausformuliert, sondern sie entstehen aus der Überlagerung vieler, vieler Farblasuren, deren Konturen abgeklebt werden. Sie sind also als offene Felder angelegt und verändern sich immer wieder durch neue überlagernde Schichten. Untere Farbebenen scheinen durch, obere scheinen zu schweben, Grenzen zwischen den Farbtönen lösen sich auf und sind an anderer Stelle wieder ausformuliert.

Wollte man Sabine Funkes Gemälde schwarzweiss abbilden, wäre kaum mehr als eine einheitlich graue Fläche zu sehen. So strahlend die Farben sind, so nah beieinander liegen ihre Tonwerte. Der Helligkeitskontrast ist nahezu aufgehoben. Ein Beispiel: Jener an altertümliche Miederwäsche erinnernde Ton kommuniziert mit zarten und gleichzeitig kräftigen Grüntönen. Gebrochene Farbe neben luzider, gedeckte neben frischer; und doch bleibt alles im Gleichgewicht der Helligkeit. Dass dies funktioniert, hat viele Gründe. Die Bilder sind das Ergebnis von Intuition und Experiment, von Erfahrung und Studium. Funkes Bilder sind pure Farbe, pure Malerei.

Eine grosse monografische Ausstellung der Karlsruher Künstlerin lief unter dem Titel „diafan“. Dieser Begriff war im 19. Jahrhundert gebräuchlich um den Lichtcharakter der Farbe in Kirchenfenstern zu beschreiben. Er steht für „durchscheinend, lichtdurchlässig“ und kennzeichnet treffend den Charakter von Funkes Bildern, obwohl sie kein Glas verwendet.

Bei Karlheinz Bux´ Werken hingegen spielt das Glas eine ganz entscheidende Rolle. Der zweite Künstler in der aktuellen Ausstellung der Galerie Friebe zeichnet auf satiniertes Weissglas. Mit einem Bleistift des Härtegrades 9H fügt er Linie an Linie an Linie. In früheren Werken gehen die Linien verschlungene, mäandernde Wege, in den aktuellen Arbeiten verwendet der Karlsruher ausschliesslich vertikale, mit dem Lineal angelegte Striche. Selbige werden mal mehr, mal weniger eng gesetzt. Dadurch ergeben sich Verdichtungen, Graunuancen, Zonen der Auflösung. Motivisch ist damit fast alles möglich. Mitunter wird gegenständliches angedeutet, oft bleibt es abstrakt, manchmal überlagert sich beides.

Bux lässt sich von spontanen Anregungen lenken, nimmt Veränderungen an, bleibt offen für Impulse. So sind die Werke das Ergebnis eines bewusst wahrgenommenen Prozesses, einer Entwicklung. Dies ist nur eine der Parallelen seiner Arbeit mit der Sabine Funkes. Eine weitere ist das Schweben, das bei Funke die Farbfelder auszeichnet und bei Bux durch die Montage des Glases wenige Millimeter vor der Wand entsteht. Und schliesslich ist da drittens die Reduktion, die bei beiden Künstlern erst recht eine Fülle von Möglichkeiten hervorbringt. Bux lotet allein durch die Vertikale unzählige motivische Gestaltungsmöglichkeiten aus. Funke richtet das Augenmerk ganz auf die Farbe, ihre unendlichen Inversionen und Angebote: Selbst wenn das Bild gemalt ist, bleibt da noch das Farbempfinden des Betrachters. Ein und dasselbe Rot ist für jeden ein anderes Rot. Farbe ist relativ.