Das Glitzern der Tautropfen

by Kristin Schmidt

Das Spiel von Licht und Schatten, die Suche nach Harmonie und Ausgewogenheit prägen die Fotografien des bekannten St. Galler Künstlers Ferruccio Soldati, die jetzt in Katharinen ausgestellt sind.

Das Gesicht ist eine Landschaft, die Haut ein von Tälern und kleinen Furchen durchzogenes, von winzigen Kratern übersätes Feld. Riesengross sitzt der Kopf im Format, so gross, dass er nur halb zu sehen ist. Ferruccio Soldati zeigt diese Nahaufnahme eines Menschen in seiner aktuellen Ausstellung in Katharinen.

Im Jahre 1964 entstanden, ist sie die früheste der ausgestellten Fotografien, und doch manifestiert sich bereits hier, was den Künstler bis in die heutige Zeit beschäftigt. Sein Interesse gilt den Strukturen unterschiedlichster Oberflächen, der Modulation des Bildraumes durch Licht und Schatten. So ist denn auch sein Bild eines Menschen keine Porträtaufnahme im eigentlichen Sinne. Es geht nicht darum, einen bestimmten Menschen in seinem Wesen und seinen Besonderheiten festzuhalten, sondern das Augenmerk auf all diese entdeckenswerten Eigenheiten eines Antlitzes zu richten. Und auch der Titel der Fotografie könnte als Programm für die gesamte Ausstellung gelten: «Black is beautiful», denn die Hautfarbe des Dargestellten ist ein Aspekt, der andere ist das Spiel von Hell und Dunkel: Alle gezeigten Werke sind Schwarz-Weiss-Aufnahmen und thematisieren so noch viel eindringlicher die Kraft des Lichtes im gestalterischen Prozess.

Der St. Galler Ferruccio Soldati trat lange Zeit vor allem als Maler und Plastiker in Erscheinung; erst in den vergangenen Jahren präsentiert er verstärkt auch sein fotografisches Werk. In diesem jedoch zeigt sich immer wieder auch der Maler, der dreidimensional denkende und arbeitende Künstler. Zum einen ist da sein Gespür für die Komposition und den Raum. Zum anderen die Fähigkeit, denselben auch in der Fläche visualisieren zu können. Wenn er sich etwa mit einem Faltenwurf beschäftigt, bekommt die Auseinandersetzung mit einem seit Jahrhunderten für Maler und Zeichner interessanten, weil in seiner räumlichen Anordnung unerschöpflichen Sujet, neue Impulse.Soldati folgte in der Auswahl der Fotografien der Zugehörigkeit zu mehreren Gruppen: runde Formen, Botanik, Grafik und menschliche Darstellungen. Dabei gibt es immer wieder augenfällige Überschneidungen innerhalb dieser Kategorien. So zeigt zum Beispiel die «Runde Blütengruppe im Wasser», kreisförmig wachsende Pflanzen, die darüber hinaus mit ihren nach aussen hin kleiner werdenden rombusförmigen Blättern, die hell auf dunklem Wasser treiben, ausgesprochen grafische Qualität. Unwillkürlich kommt einem die Pop Art in den Sinn, die solche Ordnungsstrukturen zelebrierte, doch hier ist es die Natur, die sie geschaffen hat, und durch kleine, natürliche Unregelmässigkeiten werden sie nur noch reizvoller.

Ein Sujet, das gleich mehrfach auftaucht in Katharinen sind Wassertropfen. Mal glitzert in jedem ein eingefangenes Quentchen Licht, mal steht die Transparenz des Tropfens im Vordergrund. Mal erscheinen sie als tausend Lichtpunkte auf dunklem Grund, mal als perlende Tautropfen zwischen den feinen Härchen von Erdbeerblättern.Der St. Galler widmet sich dem Kosmos der Formen, der sich selbst in einfachen Dingen auf vielfältigste Weise zeigt. Oder sogar besonders in den einfachen Dingen: in jenen Gegenständen, Pflanzen und Details, die nur allzu leicht übersehen oder als banal abgetan werden. Ferruccio Soldati lenkt die Aufmerksamkeit auf das Unscheinbare und provoziert dadurch auch den Betrachter, genauer hinzuschauen.