Keks trifft Kuh

by Kristin Schmidt

Paul Hafner zieht das Resümee seiner zwölfjährigen Arbeit als Galerist. Die neue Ausstellung in der Galerieim Lagerhaus ist Standortbestimmung und Ausblick zugleich.

Zeitgenössische Kunst braucht Platz, je grösser die weisse Wand ist, umso besser. Drum sind Ausstellungen, bei denen Werk an Werk dicht nebeneinander hängt, die Ausnahme, erst recht, wenn es sich um Arbeiten verschiedener Künstler handelt. Paul Hafner beweist also in seiner Galerie einigen Mut mit der aktuellen Ausstellung «In-Zwischen-Da-Hin».

Denn hier hängt die Kunst nicht nur eng neben-, sondern auch unter- und übereinander. Zeichnungen und Gemälde in Farbe oder Schwarzweiss, Hochrechteckiges und Quadratisches, Gross- und Kleinformate werden in einer auf den ersten Blick ungewohnten Dichte präsentiert. Eine Fülle, die ihren Grund nicht zuletzt im Ausstellungskonzept hat: Paul Hafner gibt einen Überblick über seine Arbeit seit der Gründung der Galerie 1993. Seit dem Beginn an der Hinteren Bahnhofstrasse – in die Räume im Lagerhaus wurde 2000 gezügelt – gab es 56 Ausstellungen; für viele der jungen, internationalen Künstler die erste in der Schweiz. Aus fast allen Präsentationen sind ausgewählte Werke nun wieder zu sehen.

Die Chronologie gibt eine ungefähre Ordnung der Überblicksschau vor und ermöglicht gleichzeitig Beobachtungen auf zwei Ebenen, denn sowohl Galerist und Galerieprogramm als auch die Kunst selbst haben sich entwickelt. Im Kontext der erstgenannten Kategorie fällt zunächst einmal eine anfänglich starke Konzentration auf Zeichnungen auf, die sich mit der Zeit in ein stärkeres Interesse an der Malerei verwandelt, bis gegen Ende immer wieder auch Fotografien auftauchen. Es gibt Künstlernamen, die nur ein einziges Mal vertreten sind, und solche, die den Galeristen fast von Beginn seiner Arbeit an begleiten. Einer davon ist Tobias Pils, auch er ein Zeichner. Die Handschrift auf seinem frühesten ausgestellten, grossformatigen Blatt von 1994 wirkt gestisch, impulsiv, da wird gewischt, geschmiert und mit wütenden Strichen das Papier traktiert. Drei und vier Jahre später dominieren zarte Tuschelinien und Lasuren die kleinen Formate. Noch einmal drei Jahre später kehrt Pils in grosse Dimensionen zurück, behält jedoch die gewonnene Klarheit bei und ergänzt sie um dynamische Linien. Wieder drei Jahre später fangen die Striche selbst an, sich zu ordnen, fügen sich zu gegenständlich deutbaren Lineaturen, zu Blättern und Dornen. Pflanzen als Teil der organischen Welt gehören wie Menschen und Tiere zu einem der Schwerpunkte für die Künstler in Paul Hafners Programm. Bereits ganz am Anfang stehen die Kuhbilder von Antonia Bannwart, die noch stark an den Gestus der Jungen Wilden erinnern. Dann fallen die Menschenbilder von Ursula Bossard, oder das Strumpfhosenobjekt von Julia Bornefeld ins Auge, Letzteres ein vielschichtiges Sinnbild für das geschlechterspezifische Rollenverständnis.

Insgesamt lässt sich in den Werken der Ausstellung ablesen, was sich bei Tobias Pils exemplarisch vollzieht: der Weg zur grösseren Klarheit. Die Impulsivität weicht geordneten Strukturen, der ungebändigte Strich der nachvollziehbaren Linie. Sogar in den Farben lässt sich eine Entwicklung weg vom Erdigen, Dunklen hin zu lichten, reinen Tönen verfolgen, wie sie etwa Karin Schwarzbeck oder Marianne Rinderknecht in ihren Bildern verwenden. Ein Zeichen in diesem Sinne ist auch die transparente, weil aus mehreren hintereinander geklebten Glasscheiben bestehende Arbeit «Fragile» des Österreichers Michael Kienzer. Den vorläufigen Schlusspunkt bildet der erst vor kurzem in der Einzelausstellung von Roland Kodritsch gezeigte «Keksgeist» – und doch knüpft dessen Witz nahtlos an Bannwarts Kühe an. Hier schliesst sich der Kreis des «In-Zwischen» und macht doch neugierig auf das weitere «Da-Hin».