Wenn die Ruhe beklemmend wird

by Kristin Schmidt

Die aktuelle Ausstellung in der Roellin/ Duerr-Galerie zeigt Arbeiten zweier junger Künstler. Stefan Mauck aus Berlin und Ingmar Alge aus Höchst widmen sich auf unterschiedliche Weise dem gebauten Raum.

Der Mensch muss wohnen. Die Wohnung, ob Villa oder Wellblechhütte, Wohnwagen oder Penthouse, trennt den privaten vom öffentlichen Raum. Sie ist ein zuverlässiges Abbild ihrer Bewohner, ihrer sozialen Stellung und des Bildes, das sie von sich selbst vermitteln wollen. Zugleich bietet sie Schutz vor der Aussenwelt: «My home is my castle.»

Die Gemälde von Ingmar Alge rufen dieses oft zitierte Sprichwort spontan in Erinnerung. Auf den ersten Blick zeigen sie ganz gewöhnliche Einfamilienhäuser, auf den zweiten verstört aber der Festungscharakter dieser Liegenschaften: fensterlose Hausfronten, verschlossene Garagentore, meterhohe, dicht belaubte Hecken, geschlossene Jalousien und kein Lebewesen weit und breit. Die Bilder tragen Titel wie «Höchst Nr. 6» oder «Lauterach Nr. 4» und verweisen damit auf das benachbarte Vorarlberg. Ingmar Alge ist dort 1971 geboren. Seine derzeit in einer Doppelausstellung mit Stefan Mauck in der Roellin/Duerr-Galerie gezeigten Bilder sind aber weit mehr, als nur ein Abbild vorarlbergischer Siedlungsstruktur oder Eigenheimarchitektur. Im Gegenteil, ist doch das Vorarlberg auch bekannt für innovative und gute zeitgenössische Architektur. Die von Alge gemalten Häuser jedoch könnten überall stehen. Und tatsächlich sind sie auch aus Versatzstücken existierender Bauten zusammengefügt.

Es geht weniger darum, ein bestimmtes Haus zu zeigen, als vielmehr einen besonders in den so genannten «Speckgürteln» der Städte anzutreffenden Typus. So ist es nicht wichtig, dass minutiös jeder Dachziegel gemalt sein muss, sondern Alges Thema ist die Stimmung, das Unbehagen, das derartige Häuser verbreiten. Die Versuche, sich möglichst vollständig von der Aussenwelt abzuschirmen, resultieren in einer beklemmenden Stille über den Dächern und Hecken. Ganz anders wirken dagegen die Häuserbilder Stefan Maucks. Der 1973 in Stade in Deutschland geborene Künstler hält in fotografischen Serien unterschiedlichste gebaute Objekte des öffentlichen Raumes fest: Garagen, Geschäftsgebäude, Ställe oder eben auch Wohnhäuser. Auf die Fassade dieser Architekturen blendet er in den Umrissen des Objektes die Geschichte des Baus. Und mehr noch, hier finden sich Informationen über Nutzungskonzepte, behördliche Auflagen oder Angaben zum geografischen Umfeld.

Nicht selten mischen sich darunter auch sehr persönliche Informationen über die Eigner oder Mieter. Obwohl sie auch in diesen Bildern nie selbst zu sehen sind, meint man die Personen sprechen zu hören, wenn etwa davon die Rede ist, dass «in der nächsten Zeit ein neuer Anstrich der Metallteile fällig» wird oder etwas «einen gepflegten Eindruck» macht, weil es sich «in genügender Entfernung zu sozialen Problemzonen» befindet.Besonders interessant ist die Wirkung dieser Texte dann, wenn das Objekt selbst gar nicht abgebildet ist. Allein durch die Beschreibung einer örtlichen Situation und der Gedanken der Besitzer eines Objektes sowie durch die mit Schreibmaschine in Gebäudeform gesetzten Zeilen entsteht im Auge des Betrachters die Ansicht des Gebäudes. Mauck nähert sich dem sozialen Raum auf sehr konzeptionelle Weise. Seine Ortsanalysen machen längst nicht mehr Wahrgenommenes, weil als selbstverständlich Erachtetes wieder bewusst. Der Künstler bringt ausserdem einen Teil dessen, was hinter den Mauern verborgen wird, für jedermann sichtbar auf die Wand. Er schafft damit eine Schnittstelle von öffentlichem und privatem Raum und unterläuft damit genau jenen Versuch, das Private möglichst hermetisch abzuschirmen, dessen düster anmutende Ergebnisse Alge so eindrucksvoll auf die Leinwand bannt.