Im Schwarz ein grüner Strich

by Kristin Schmidt

«Restbilder» von Tobias Pils zeigt die aktuelle Ausstellung in der Galerie Paul Hafner: Der österreichische Künstler geht mit seinen jüngstenArbeiten neue, malerische Wege.

Tobias Pils ist einen grossen Schritt weitergegangen. Noch vor einigen Monaten waren in einer Gruppenausstellung in der Galerie Paul Hafner seine grossformatigen Zeichnungen auf Papier zu sehen. Nun ist nicht nur der Bildträger ein anderer, auch sonst hat sich einiges getan.

Zunächst ist da also die Wahl eines neuen Untergrundes. Der 1971 geborene Österreicher hat die Leinwand für sich entdeckt, und sofort gewinnt sein Werk malerische Qualitäten, auch wenn sich noch viel von dem findet, was seine Zeichnungen so einzigartig macht: Über das gesamte grosse Format verspannen sich kühn gezogene Bleistiftlinien. Mal sind sie akkurat gezogen, dann wieder weichen sie stachelartig vom durch das Hilfsmittel vorgegebenen schnurgeraden Weg ab. Mal breiten sich kleine Schraffuren fächerförmig aus, mal verleihen kleine Unregelmässigkeiten in der Strichdicke der Linie Leben.

Demgegenüber stehen die Flächen. Ein riesiges Schwarz kann bis zur Hälfte eines Blattes oder nun einer Leinwand bedecken. Aber es ist nie in sich homogen, sondern belebt von Farbverläufen, durchscheinenden Liniennetzen, Lasuren und wolkenartig ausfransenden Rändern. Wo jedoch in früheren Arbeiten die stets transparent bleibende Tusche vorherrschte, treten nun auch deckendes Weiss und Grauwerte auf. Die Schichtungen sind damit weniger durchlässig, es entstehen auf manchen der Werke beinahe architektonische Gefüge. Dennoch ist nichts stabil. Pils komponiert aus Strichen, Flächen, breiten Linien und wie zufällig gesetzten Farbspuren Bilder, die kurz vor einem ausbalancierten Gleichgewicht zu stehen scheinen, aber im gleichen Moment kippen.Diese grosse Spannung wird unterstützt durch die neu in sein Werk aufgenommenen Farbwerte. Da sitzt ein zarter grüner Buntstiftstrich im Schwarz. Ein horizontales Pink legt sich auf den oberen Rand des schwarzen Feldes. Neonorange Ziegel scheinen hinter Grauwerten vor. Pils haben es besonders die Leuchtfarben angetan. Wie Signaltöne rufen sie aus den Bildern heraus und unterstreichen die Fragilität der Bildgestaltung. Es geht hier weniger um formale Setzungen, als um einen Klang, eine Stimmung, die provoziert wird, und die freilich keine beruhigende ist.

Pils findet in der Malerei eine grössere Freiheit als in der Arbeit auf Papier. Zum einen lassen sich Räume von grösserer Tiefe konstruieren, eine Möglichkeit, die den Künstler nicht zuletzt durch seine Erfahrung mit Kunst-am-Bau-Projekten mehr und mehr reizt. Farben und Farbauftrag suggerieren Nähe und Ferne, Durchblicke und Verschränkungen viel stärker als dies in den Zeichnungen je zu verwirklichen war. Zum anderen ist die Malerei gerade durch die viel grössere Zahl der zur Verfügung stehenden Gestaltungsmittel eine ständig neue Herausforderung für den Österreicher. Immer wieder neu wird um die bildnerische Lösung gerungen, konkurrieren grosse Geste und konzentrierter Strich, Nichtfarben und leuchtende Akzente. Keines der Elemente dominiert – und so ist das Resultat nicht Ruhe, sondern ein ständig vibrierendes Kräfteverhältnis. Von der derzeit vielbeschworenen neuen Romantik in der Malerei sind Tobias Pils‘ Bilder so entfernt wie nur irgend möglich. Hier lullt den Betrachter keine Niedlichkeit in Rosa oder Hellblau ein, statt dessen sieht er sich eigenständigen starken Werken gegenüber, ein jedes für sich Wegmarke auf der Gestaltsuche.