Die Finnen kommen

by Kristin Schmidt

Christian Roellin stellt in seiner Galerie Künstlerinnen und Künstler aus Finnland aus. Die Bandbreite dieser zeitgenössischen Malerei reicht von zarten Tuschezeichnungen bis zum Monumentalbild.

Mehr als einmal sind Künstlergruppen von Kunsthistorikern gemacht worden. Ausstellungen über Zeitphänomene führten mitunter dazu, dass verwandte Formensprachen oder ein gemeinsames thematisches Interesse als Gruppenmerkmale identifiziert wurden. Nicht immer geschah dies im Interesse der Künstlerinnen und Künstler selbst, birgt doch die Zuordnung zu einem grösseren, allgemeineren Kontext die Gefahr der Reduktion der Wahrnehmung auf die Gemeinsamkeiten. Individuelle Merkmale, der Reichtum der Differenzierung gehen verloren.

Christian Roellin liegt es fern, mit «Contemporary finnish painting» einen Gruppenzusammenhang zu konstruieren. Die in seiner Galerie ausgestellten sieben finnischen Positionen sind eigenständig – auch in der Selbstwahrnehmung – und repräsentieren den Reichtum der aktuellen finnischen Malerei. Dass es dabei auch Gemeinsames gibt, liegt in der Natur der Sache und nicht zuletzt auch in der Geografie, arbeiten die Künstler doch auf einem Aussenposten Europas.

Das Gravitationszentrum Akademie hat in Finnland eine wichtige Rolle, und es ist sicherlich kein Zufall, dass sich mit Ausnahme von Henry Wuorila-Stenberg alle ausgestellten Künstlerinnen und Künstler im Umkreis der Akademie Helsinki entwickelt haben.

In Wuorila-Stenbergs Werken ballt sich das Material zu Farbhaufen, für die «bunt» eine Untertreibung ist. Reflexionen über Malerei finden sich hier gleichzeitig mit ironisch entlarvenden Blicken auf gesellschaftliche Phänomene. Stoisch blickt ein Anzugträger aus dem Farbkrach, versucht sich ein Funktionär im Rollstuhl gegen die Kraft der Töne zu behaupten.

Die zeitgenössische Lebenswelt ist auch das Thema Tarmo Paunus. Mit neoexpressivem Gestus setzt er eine typisch finnische 1.-Mai-Feier ins Bild. Eine Militärband spielt auf, Hitze, Lärm und Ausgelassenheit strömen förmlich aus dem Bild. Genauso intensiv die Bordellszene, die mit Schlange, Baum und einem über allem wachenden, jedoch anspielungsreich rüsselnden Elefanten gleichzeitig an den Sündenfall erinnert. Eine ganz andere Intensität strahlen die Werke Janne Räisänens aus. Formaler Reichtum paart sich mit üppiger Farbigkeit. Worte oder Details tauchen auf und werden von der Malerei wieder verschlungen. Assemblage mischt sich selbstverständlich mit Malerei, Chaos mit Struktur.

Die farbstrotzende Malerei dieser drei Künstler steht in deutlichem Kontrast zu den Bildern der drei Künstlerinnen der Ausstellung. Bei Anna Tuori dominieren grosse Flächen in subtiler Farbigkeit, akzentuiert von ausgewogen platzierten Details. Es sind Gemälde fiktionaler Landschaften. Keiner kennt sie, aber jeder glaubt sich doch an sie zu erinnern: sanfte Traum- und Sehnsuchtslandschaften.

Elina Merenmies interessieren eher die Albträume. Den Gestalten ihrer Tuschezeichnungen möchte man lieber nicht begegnen. Düster die Gesichter, düster der Wald. Der lasierende Tuscheauftrag ist genauso Merenmies‘ Stärke wie eine an die grossen Meister der Grafik erinnernde Linearität.

Auch Mari Sunna nutzt das Medium Tuschezeichnung. Hier dominiert jedoch die grosse, blattfüllende Form. Sunnas Thema ist der Mensch in seinen Gefühlen, seiner Verletzbarkeit. Trotz oder gerade aufgrund der formalen Reduktion entfalten die Werke emotionale Kraft.

Bleibt der Dark Room der Ausstellung zu erwähnen: Jukka Korkeila hat eigens für die Präsentation ein schwarzes Wandgemälde mit integrierten, in Tusche festgehaltenen grotesken Wesen geschaffen. Es sticht jedoch vor allem durch seine Monumentalität ins Auge.