Dorf, Land, Fluss

by Kristin Schmidt

Unter dem Titel «Landscape» zeigt Paul Hafner eine Ausstellung zum Thema Landschaft. Sie vereint drei mit Werken von Gabriela Gerber/Lukas Bardill, Emanuel Geisser und Pascal Seiler unterschiedliche künstlerische Positionen und lässt dennoch Gemeinsamkeiten entdecken.

Wie viel Landschaft braucht ein Landschaftsbild? Braucht es eine Horizontlinie, Licht, Vegetation oder wenigstens Grün? Galerist Paul Hafner zeigt in der aktuellen Ausstellung drei künstlerische Positionen unter dem Motto Landschaft. Dabei kristallisiert sich als Gemeinsamkeit der Werke Pascal Seilers, Emanuel Geissers und des Duos Gabriela Gerber/Lukas Bardill die Reduktion des Bildmotivs heraus.

Der 1965 in Steg geborene Pascal Seiler geht für seine Gemälde vom Sujet früherer Werke aus. Sie werden digitalisiert, vergrössert und wieder in Malerei übersetzt. Ein zentimetergrosses Detail füllt nun ein grosses Format. Vormals zarte Linien werden zu einer markanten Streifenstruktur. Sie fliessen ineinander, verdichten sich und werden unterbrochen von farbigen oder weissen Flecken. Aufgrund seiner Seherfahrung assoziiert der Betrachter sanft geschwungene Hügellandschaften, und weisse Flecken erscheinen als Seen oder Wolken. Andere Flächen stehen dazu in farbigem Kontrast und kommunizieren innerhalb des Bildes miteinander.

Pascal Seiler bewegt sich mit seinen Werken bewusst zwischen Realität und Abstraktion, die Übergänge sind fliessend und das macht die Spannung seiner Bilder aus.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen auch Gerber und Bardill mit ihrem Porträt eines «Rapid». Der Rasenmäher erscheint in einer Dreierserie von Inkjet-Prints zunächst als Gesamtbild, dann vergrössert und angeschnitten und schliesslich in einem nochmals vergrösserten Detail, sodass keine Rückschlüsse auf den ursprünglichen Gegenstand mehr möglich sind. Im Zoom zerfällt das Bild, gleichzeitig entsteht ein neues abstraktes. Nebenbei wird auch noch im scheinbar näher kommenden Fahrzeug die im Namen desselben suggerierte Geschwindigkeit thematisiert. Die 1970 in Schiers geborene Künstlerin und der 1968 in Chur geborene Künstler interessiert insbesondere die kontrollierte Landschaft: sowohl die beispielsweise durch Landwirtschaft geprägte Realität als auch die per Computer simulierten Bilder derselben. So in der Serie «Landmark»: Fenster- und türlose Häuser stehen im Weiss. Kein Horizont ist sichtbar, kein Himmel, kein Weg und erst recht keine Lebewesen. Gerber und Bardill haben die Rezeptur für Landschaftsbilder bis zum Äussersten reduziert. Und dennoch lassen sich Atmosphäre, Licht und Raumtiefe erspüren.

Emanuel Geiser inszeniert Landschaft im dreidimensionalen Raum. Geheimnisvoll wirkt die Anordnung eines grossen, auf den Boden geklebten Kreuzes, eines kleinen Scherenschnitts auf Kniehöhe an der Wand und einer auf die Wand gemalten Karte. Ist der über dem Kreuz pendelnde Kristall der Schlüssel zum Werk? Ist es der Titel? «Dorf unter Schnee» nennt der 1974 in St. Gallen geborene und in Berlin lebende Künstler seine Arbeit und gibt damit weitere Rätsel auf. Ist das Dorf durch das Kreuz markiert? Was wissen die weissen, kleinen Rehe an der Wand? Erspüren sie mit dem feinen Sinn der Tiere, was passierte? Wohin führt uns die Landkarte? Die Fliessrichtungen der Gewässer sind darin mit Pfeilen markiert, oder sind es die Orientierungspfeile? Landschaft wird hier auf eine neue Ebene gebracht. Sie lebt nicht mehr nur im Bild, das notfalls noch mittels Staffage eine Geschichte erzählen kann, sondern hier wird der Betrachter aufgefordert, selbst eine Erzählung zu entwickeln, sich aktiv mit der Landschaft auseinander zu setzen.

Die kleine, sehenswerte Ausstellung wirft neue Lichter auf ein altes Thema der Kunst. Es ist heute aktueller denn je und erfährt in den gezeigten Werken neue, intelligente und auch verblüffende Anregungen.