Landschaft, die zweite

by Kristin Schmidt

Bereits zum zweiten Male widmet Paul Hafner eine Ausstellung der Landschaft. In seiner Galerie sind Werke von Tobias Pils, Peter Stoffel und Rik Beemsterboer zu sehen.

Ein Weg führt durch eine Wiese auf Bäume zu. Darüber spannt sich der Himmel: Eine Szenerie, die wohl jeder so oder ähnlich schon vor Augen hatte. Nichts ist besonders an diesem Landschaftsausschnitt, nichts deutet auf eine bestimmte Gegend, ein bestimmtes Land hin. Rik Beemsterboer sucht für seine Gemälde nicht das Unverwechselbare oder Aufsehen erregende, sondern das, was eine Landschaft zur Projektionsfläche für Erinnerungen, Stimmungen und Gedanken macht. Je allgemeingültiger die Szenerie, desto wahrscheinlicher ruft sie die individuellen Erlebnisse der jeweiligen Betrachter wach. Gleichzeitig untersucht der in den Niederlanden geborene und seit sieben Jahren in St. Gallen lebende Beemsterboer, wie sich unsere Art, Landschaft zu betrachten, verändert hat.

Zwar liegt durch die Abwesenheit von Menschen eine grosse Stille über Feld, Wald oder Wiese, doch die zeitgenössische Dynamik ist mit eingebunden, denn die gesamte Darstellung ist leicht verwischt. So suggeriert sie eine Bewegungsunschärfe, als nehme man sie aus dem Fenster eines Autos oder Zuges wahr. Trotz dieser Spannung kommen Beemsterboers Bilder in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Paul Hafner der traditionellen Vorstellung von Landschaftsmalerei am nächsten.

Schon zum zweiten Mal zeigt Paul Hafner drei sehr unterschiedliche Positionen zum Thema Landschaft. Neben Beemsterboers Gemälden sind Werke von Tobias Pils und Peter Stoffel zu sehen. Der 1972 in Herisau geborene Stoffel hat eigens für die Ausstellung Werke zu einer Installation verbunden. Kleine Gemälde und eine grossformatige Zeichnung werden von einer Wandmalerei in Schwarz-Weiss umschlossen, die gleichzeitig den Bezug zu einer Rauminstallation herstellt. Stoffel konstruiert Räume, ganz gleich, ob er sich in der Zwei- oder Dreidimensionalität ausdrückt. Die Gemälde mit ihrem monochromen Hintergrund evozieren etwa durch die kaum wahrnehmbare Andeutung einer Horizontlinie oder die Anordnung und Grösse verschiedener Farbflecken und -punkte die Tiefe von Landschaftsbildern.

In der Zeichnung wird Landschaft nicht nur mittels ungegenständlicher Struktur angedeutet, sondern durch zwei in der Bildmitte platzierte Bäume zum eigentlichen Thema. Ihre Tiefenwirkung entfaltet sie durch die Setzung und Verdichtung der Linien. Sie ballen sich zu schwarzen Feldern zusammen oder verlieren sich im Weiss.

Diese Linien sind es auch, die Wandmalerei, Zeichnung und Rauminstallation miteinander verbinden. Wie Energieströme fliessen sie aufeinander zu, entfernen sich voneinander, stören sich gegenseitig, lösen sich auf, geben Richtungen vor und lenken die Blicke.

Der dritte Künstler der aktuellen Ausstellung ist derjenige, dessen Werk am weitesten von dem entfernt ist, was Landschaft im herkömmlichen Sinne bedeutet. Der Österreicher Tobias Pils widmet sich seit einigen Jahren der Konstruktion von Räumen mittels Linien und Flächen. Anfangs noch zeichnerisch, mittlerweile im Medium Malerei, untersucht er in virtuosen Verschränkungen von Flächen und Linien, in der Komposition von Hell und Dunkel, von zart und monumental wie Bilder eine räumliche Tiefe entwickeln und aus der Anordnung von Farben heraus Licht und Schatten in ein Gemälde kommen. Ob Pils‘ Gemälde dabei eher physische Landschaften sein könnten, oder das Räumliche allein schon Landschaft ist, will und muss Paul Hafners Ausstellung nicht beantworten. Die Offenheit einem alten Thema gegenüber regt jedenfalls neue Betrachtungsweisen an.