Kunst trifft Mode

by Kristin Schmidt

Die Bekleidungsgestalter und -gestalterinnen der GBSSt. Gallen zeigen im Textilmuseum ihre Arbeiten. Sie entstanden mit Blick auf die Kunst von Didier Rittener.

Vor knapp zwei Jahren präsentierte Gianni Jetzer in der Kunsthalle St. Gallen eine Einzelausstellung mit Werken Didier Ritteners. Der Lausanner Künstler geht in seinen Installationen, Zeichnungen und Skulpturen von Bildern aus Modezeitschriften, Werbeprospekten, Filmen, Musterbüchern oder Tageszeitungen aus. Er zitiert, kombiniert, verfremdet, er überarbeitet. Genau dies haben wiederum die Lehrlinge des Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrums (GBS) St. Gallen nun mit Ritteners Werken getan.

Die Idee dazu entstand vor zwei Jahren gemeinsam mit Jetzer, und die Ergebnisse sind derzeit unter dem Titel «Fashion, Art and Ornament» im Textilmuseum zu sehen. Zum ersten Mal in der Tradition der St. Galler Lehrlingsmodenschau stellen die Bekleidungsgestalter und -gestalterinnen ihre Arbeiten unter ein gemeinsames Motto. Doch dies heisst nicht, dass den Betrachter der sorgfältig inszenierten Ausstellung Uniformität erwartet. Im Gegenteil.

Die Lehrlinge haben ihren individuellen Assoziationen zu Rittener freien Lauf gelassen. Der damalige Titel der Ausstellung in der Kunsthalle «Trust Your Instinct» könnte also auch über der jetzigen Präsentation im Textilmuseum stehen. Bereits bei der Auswahl der Vorlagen zeigt sich ein breites Spektrum. Ritteners Arbeiten auf Papier werden ebenso gern herangezogen wie seine dreidimensionalen Werke.

Doch zunächst lohnt es sich, den Blick ganz ungeachtet der Motivquelle auf die ausgestellten Modelle zu richten. Die Lehrlinge verarbeiten ungewohnte Materialien und finden eine reizvolle neue Formensprache. Ins Auge fällt etwa eine Jacke, auf deren Front das Röntgenbild eines Brustkorbes appliziert ist. Oder ein Korsett aus einem dem weiblichen Körper abgeformten Gipsvorderteil, welches hinten verschnürt ist. Dazu ein ausgestellter Rock mit Bahnen ausgestanzter Kreise. Ein Blickfang ist auch der Rock mit goldenem Ziegelstein-Muster, in dessen Falten sich eine Aufnahme des menschlichen Körpers verbirgt. Es lässt sich kaum erkennen, welcher Teil des Körpers da fragmentarisch Einblicke freigibt, aber gerade darin liegt der Reiz.

Die Modelle sind präsentiert vor grossen Papierbahnen, die tapetengleich von der Decke bis zum Boden reichen und mit Motiven Ritteners schwarz-weiss bedruckt sind. Auf dem zweiten Treppenabsatz des Museums sind dies zu Dreiergruppen geordnete Ovale, die durch Farbintensität, Überschneidungen und Drehungen den Eindruck räumlicher Tiefe vermitteln. Dies hat einen Lehrling inspiriert zu einem kleinen Schwarzen mit ovalen Metallplatten, das gewiss der Hingucker bei jedem festlichen Anlass ist.

Ein Stockwerk weiter oben dominieren die Kleidungsstücke mit Street Credibility. Vor Papierbahnen mit dichter tachistischer Struktur reihen sie sich in knalligen Farben und mit besonderen Details wie etwa doppelten, aussermittig gesetzten Frontreissverschlüssen oder grossen Aufdrucken und Aufnähern. Nochmals ein Stockwerk höher ist das beherrschende Motiv Ritteners eine an Lyonel Feininger gemahnende kristalline Struktur; hier finden sich erneut Kreationen für die ausgefallene Abendgarderobe.

Danach sollten Besucher unbedingt noch ein halbes Stockwerk höher steigen, denn dort ist vollständig zu sehen, was zuvor nur in Ausschnitten gezeigt werden konnte. Ein Video zeigt – mit Zwischenblenden auf Didier Ritteners Werke – die Lehrlingsmodenschau sämtlicher, auch nicht ausgestellter Modelle und damit deren gesamte gestalterische Fülle.

Die Ausstellung schliesst den Kreis von Ornament und Mode zu Rittener und wieder zurück zu Ornament und Mode. Es wäre schön, wenn diese angewandte Auseinandersetzung der Lehrlinge mit zeitgenössischer Kunst keine Ausnahme bliebe.