Kunst aus Sardinien

by Kristin Schmidt

Galerist Francesco Bonanno zeigt mit dem siebten «Interscambio culturale» in der Macelleria d’arte eine persönliche Auswahl mit unterschiedlichsten Arbeiten von zehn sardischen Künstlerinnen und Künstlern.

Sommerliches Badewetter vermag fast jeden ins oder zumindest ans Wasser zu locken. Ob See, Weiher, Schwimmbad oder Planschbecken – Hauptsache nass. Dass es aber auch mal im Trocknen geht, ist derzeit in der Macelleria d’arte zu sehen; aalt sich doch dort hinter dem grossen Schaufenster eine Schöne im Leuchtkasten zwischen glitzernden Glassplittern. Eine Badehaube hat sie auf und ein leeres Rotweinglas in der Hand. Ihr Lachen ist schon sichtlich vom Alkohol geprägt.

Wer ist die Dame? Ein Partygirl? Wohl kaum mit so einer Badehaube. Eine ausgelassene Hausfrau? Auch nicht sehr wahrscheinlich. Eine geniesserische Pensionistin? Zu jung. Irgendwie lässt sie sich in keine Schublade einordnen. Gezielt unterwandert Francesca Pili mit ihrer Terracottaskulptur die Klischees und setzt ein Bild voller Lebensfreude dagegen. Ganz anders wirkt dagegen ihre ausgestellte Gliederstoffpuppe mit austauschbaren Masken mit verweintem Make-up. Der Körper ist zum Objekt geworden, die Maske kein Gesicht, und die Hysterie ist aufgesetzt.

Pili ist eine der zehn Künstlerinnen und Künstler, die im Rahmen des 7. «interscambio culturale» nach St. Gallen eingeladen hat. Diesmal ging Francesco Bonannos Reise nach Sardinien. Doch der Herkunftsort ist auch schon die grösste Gemeinsamkeit der Eingeladenen. Die Ausstellung zeigt ein sehr heterogenes Bild. Neben Pilis Auseinandersetzungen mit der Weiblichkeit und den Geschlechterstereotypen fällt beispielsweise Chiara Demelios Serie «Beautiful Garden» ins Auge. Die farbenfrohen Gemälde sind auf den ersten Blick harmlose Blumenporträts, auf den zweiten entfalten sie eine hohe suggestive Kraft. Rose, Passionsblume und Orchidee offenbaren sinnliches Potenzial und erinnern nicht zuletzt daran, dass Stempel, Staubblätter und Griffel Fortpflanzungsorgane sind.

An der Stirnwand der Galerie zieht eine Porträtserie von Ermengildo Atzori die Blicke an. Aus dunklem Hintergrund tauchen Gesichter hervor in erdigen, gelben Tönen, sie wirken wie Inseln im Schwarz, unterstützt wird dieser Eindruck durch die körnige Oberfläche. Tatsächlich verwendet Atzori Erden und Metalle, die durch Oxidationsprozesse eine beinahe reliefhafte Struktur entwickeln. Aber auch Kunststoffe gehören zu seinen Werkstoffen wie die präsentierten Plastiken zeigen. Überhaupt ist das Spektrum der Materialien und Gattungen gross in der Ausstellung. Da sind etwa Roberto Serras Metallbilder, Domenico D’Orsognos malerisch überarbeitete und nochmals abgelichtete Fotografien oder die auf Video aufgezeichnete Musik-Text-Performance von Isella Orchis und Cristina Maccioni.

Ebenfalls ein Video zeigt Francesco Meloni, doch hier funktioniert es in Kombination mit Malerei. Grossstadtimpressionen begleiten die Transformation einer Frau, bis sie eins wird mit dem Wasser – hier schliesst sich der Kreis der Ausstellung. Nicht unerwähnt bleiben sollen die Arbeiten aus dem Bereich der angewandten Kunst von Gian Giuseppe Pisuttu und Anna Maria Baldinu. Sie deuten die traditionelle Tracht der Sarden neu und verjüngen sie mit sorgfältig inszenierten Details. Es entstehen aufregende Silhouetten, breite Gürtel mit vergitterten Motiven der sardischen Königsfamilie und ins schier Unendliche verlängerte Kopfhauben. Sie schaffen einen direkten Bezug zur Textilstadt St. Gallen.